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Ungarns Stasi-Akten zu den Akten

■ Die Überprüfung von Amtsträgern auf Geheimdienstkontakte ist jetzt abgeschlossen. Die Öffentlichkeit interessiert das wenig

Budapest (taz) – Acht Jahre nach dem Ende der kommunistischen Diktatur wird jetzt in Ungarn ein heikles Kapitel aus der Vergangenheit zu den Akten gelegt. Es geht um die Stasi-Vergangenheit ungarischer Politiker.

In der vorletzten Woche beendete eine „Durchleuchtungs-Kommission“ die Überprüfung aller Abgeordneten auf ihre Mitarbeit oder Verbindung zur ehemaligen ungarischen Staatssicherheit. Im Verlauf der Durchleuchtung hatte sich herausgestellt, daß so prominente ungarische Politiker wie der Ministerpräsident Gyula Horn und der Finanzminister Peter Medgyessy mit dem kommunistischen Geheimdienst zu tun hatten.

Doch Ungarns Öffentlichkeit reagiert größtenteils desinteressiert. Ehemalige Bürgerrechtler wie Ferenc Kvszeg, die jahrelang dafür kämpften, daß Politiker mit Stasi-Vergangenheit sich aus der Öffentlichkeit zurückziehen sollten, sind von der Durchleuchtung enttäuscht. „Die Angelegenheit ist so lange totgeredet und hinausgezögert worden, daß viele resigniert haben“, sagt Kvszeg.

Die Diskussion, ob und wie ehemalige Geheimdienstmitarbeiter aus dem öffentlichen Leben ausscheiden sollten, hatte noch vor den ersten freien Wahlen im Mai 1990 begonnen. Doch ein Gesetz trat erst 1994 in Kraft und wurde mehrfach aufgeweicht. Der heutigen Variante zufolge müssen sich Abgeordnete und hohe Beamte im Staats- und Verwaltungsapparat von einem Richterausschuß anhand der Dokumente der „Abteilung III/III“ prüfen lassen.

Die Durchleuchtung ist auch für Minister, Abgeordnete und andere Würdenträger der nächsten Legislaturperiode verpflichtend. Werden den Betroffenen Geheimdienstkontakte nachgewiesen, können sie binnen 30 Tagen freiwillig zurücktreten. Sonst wird ihr Name bekanntgegeben. Einspruch gegen das Urteil und eine Neuprüfung läßt das Gesetz zu.

Sowohl die bis Mitte 1994 regierenden National-Konservativen als auch die jetzige Regierung der Sozialisten unter Gyula Horn zeigten wenig Interesse an einer schnellen und konsequenten Durchleuchtung. So schränkten die Sozialisten die Kategorien der zu Überprüfenden ein. Lokalpolitiker, Manager staatlicher Betriebe oder Funktionäre in staatlichen Medien müssen sich keiner Überprüfung mehr unterziehen.

Erst im letzten Jahr begann die Durchleuchtung. Von 500 Abgeordneten wurden 13 für „schuldig“ befunden. Fünf von ihnen haben gegen ihre Klassifizierung als ehemalige Geheimdienstmitarbeiter Einspruch erhoben. Andere weigerten sich zurückzutreten und machten das Ergebnis von sich aus bekannt, wie Regierungschef Horn Anfang September.

Horn wurde nachgewiesen, bei der Niederschlagung der Revolution von 1956 sowie später als Angestellter im Finanzministerium mit Akten des Geheimdienstes III/ III zu tun gehabt zu haben. Horn sagte, dies sei vor seiner Wahl im Mai 1994 bekannt gewesen. Deshalb trete er nicht zurück. Der Fall sei für ihn abgeschlossen.

Das Desinteresse der ungarischen Öffentlichkeit dürfte auch damit zu tun haben, daß bereits 1989/90 ein Großteil der Geheimdienstakten vernichtet wurde. Gerade dieser Aktenmangel macht sich zur Zeit bei einem anderen Kapitel der Stasi-Vergangenheit bemerkbar – der Aktenöffnung. Seit Anfang September können die Ungarn Einsicht in ihre Dossiers beantragen. Mehrere hundert Menschen haben ihre Akten gelesen und stellten zu ihrem Erstaunen fest, daß sie meistens nur Personaldaten enthielten. Keno Verseck

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