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„Al Gore sollte verhandeln oder sein Buch lesen“

■ Jennifer Morgan vom US-Dachverband der Umweltinitiativen zum Klimaschutz (CAN) wird am Montag vor dem Plenum der Klimakonferenz in Kioto die Position der Umweltverbände vertreten

taz: Die Klimaverhandlungen in Kioto dauern nun eine Woche. Wie beurteilen Sie die Lage vor der Ankunft der Minister am Montag?

Jennifer Morgan: Ich habe nicht erwartet, daß hier viel fertig sein wird, bevor die Minister kommen, denn alle Einzelfragen sind eng miteinander verwoben. Erst die Minister können den politischen Deal abschließen.

Welche Rolle spielen die USA dabei?

Eine große Enttäuschung. Viele Regierungen haben in den Hinterzimmern Zugeständnisse gemacht – nur die USA halten bedingungslos an allen ihren Vorschlägen fest. Außerdem haben die USA die EU und die Entwicklungsländer heftig angegriffen. Das war wenig hilfreich.

Wollen die USA kein Protokoll?

Ich denke doch, aber so, wie sie sich benehmen, tun sie sich selbst keinen Gefallen.

Was sind die großen Hindernisse in der US-Position?

Erstens die Forderung nach „bedeutender Beteiligung“ der Entwicklungsländer. Das ist eine direkte Folge der Arbeit der Öllobby bei uns. Die wußten ganz genau, daß diese Forderung hier in Kioto nicht durchsetzbar ist.

Das zweite große Hindernis ist ihr Ziel einer Stabilisierung bis 2010. Es macht den Rest ihrer Vorschläge unglaubwürdig.

Die US-Unterhändlerin Melinda Kimble sagt, der US-Vorschlag sei im Endeffekt genausogut wie der der EU.

Auf keinen Fall. Sie behaupten, würde die EU auch sechs Gase berücksichtigen, dann würde das EU- Ziel auf fünf Prozent schrumpfen. Das ist falsch. Experten haben nachgerechnet und kamen darauf, daß die EU mindestens bei zehn Prozent bliebe. Es wäre sicher besser, alle sechs Gase mitzunehmen. Aber das Reduktionsziel der US- Delegation ist unverantwortlich, und es fängt auch viel zu spät an. Es muß 2005 starten, nicht erst 2008 bis 2012. Selbst wenn Al Gore zweimal zum Präsidenten gewählt würde, das Datum wäre außerhalb seiner Amtszeit.

Was erwarten Sie von US-Vizepräsident Al Gore?

Es ist gut, daß er kommt. Es zeigt, daß ihm das Thema wichtig ist. Das Problem ist nur: Er bleibt bloß acht Stunden. Er hält seine Rede, geht in ein paar Treffen und fliegt wieder heim. Das ist nicht die richtige Rolle für den, der das Thema wesentlich auf die Tagesordnung gebracht hat. Ich möchte nicht dasselbe erleben wie mit Präsident Bush in Rio. Der hielt eine kleine Rede und entwertete alle Zugeständnisse der Unterhändler.

Al Gore sollte bleiben und mit der EU und den Entwicklungsländern offen verhandeln. Ansonsten kann er auch zu Hause bleiben und sein eigenes Buch „Erde im Gleichgewicht“ lesen. Wir könnten den Autor von damals brauchen, um das hier geregelt zu kriegen. Vielleicht sollte er da einfach mal länger reinschauen, um sich zu erinnern.

Al Gore würde gern der nächste Präsident werden.

Richtig, aber er darf seine politischen Ambitionen nicht einer Lösung der wahrscheinlich größten Umweltbedrohung, der wir je gegenüberstanden, in den Weg stellen. Ich denke aber, er könnte seinen Plan noch ändern. Die vergangenen Wochen haben gezeigt, daß sich die Bürger und die US-Medien mehr Sorgen über das Thema machen, als das Weiße Haus jemals erwartet hätte. Das ist wahrscheinlich einer der Gründe, warum Al Gore jetzt kommt. Wir sollten ihm eine Chance geben, vielleicht auch länger zu bleiben.

Glauben Sie an diese Möglichkeit?

Wenn er eine Chance sieht, etwas zu erreichen, könnte er vielleicht bleiben. Interview: Matthias Urbach

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