Aufschlag: (Über-) flüssige Tennistage am Main
■ Überraschend gewinnt Anke Huber das Finale des Bierturniers der Champions
Frankfurt/Main (taz) – Es war das „Veltins Masters of Champions“ mit sieben der weltbesten Tennisspielerinnen – plus Anke Huber. Ein Turnier für 32 Journalisten, die sich in die Presselounge der Festhalle verirrt hatten und sich am Freibier des Sponsors erfreuten. Es war aber auch das Championat von Martina Hingis und Anke Huber. Daß Huber schließlich das gestrige Finale mit 2:6, 6:3, 2:6, 6:2, 7:5 gegen die Weltranglistenerste Hingis gewinnen würde, hätte kaum jemand für möglich gehalten. Schließlich hatte ihr auch niemand den klaren Zweisatzsieg über Iva Majoli im Halbfinale zugetraut. Immerhin rangiert Huber in der Weltrangliste inzwischen nur noch auf Platz 14.
Weltranglistenpunkte gab es keine in Frankfurt. Nur Kohle. Die dafür reichlich. Exakt 125.000 Mark schon mal gleich – als Startgeld auf die Hand. „Es gibt keine schönere Halle auf der ganzen Welt als die Festhalle“, schmeichelte Hingis dafür dem Veranstalter, einem mittelständischen Maschinenbauer. Ihr Auftaktmatch gegen Mary Pierce fand vor gähnend leeren Rängen statt. „Vielleicht müssen die Menschen in Frankfurt arbeiten?“, sinnierte die Französin. Oder sie vergnügten sich auf dem Weihnachtsmarkt. Eintritt frei. Und Champignons mit Zwiebeln für 7,50 Mark. Eine Tageskarte für das Masters of Champions kostete dagegen im Durchschnitt 160 Mark.
Wer bis zum Ende der Vorrunde nur ein einziges Spiel gewonnen hatte, durfte noch 50.000 Mark extra mit in die Weihnachtsferien nehmen. 50.000 Mark für zwei gewonnene Sätze in 50 Minuten, 1.000 Mark pro Minute; 16,66 Mark Periode pro Sekunde. Wer das Halbfinale erreichte, strich noch einmal 150.000 Mark ein, ebensoviel gab es für den Einzug ins Finale. Die Gewinnerin bekam dann noch einmal 200.000 Mark zusätzlich. Summa sumarum: mehr als eine Dreiviertelmillion für eine ungeschlagene Siegerin.
Tennis wurde auch gespielt. Und manchmal gar nicht schlecht. Nach dem klaren Zweisatzsieg über Pierce in der Vorrunde gab es für Anke Huber, die in Frankfurt ihren 23. Geburtstag feierte, eine Espressomaschine zusätzlich zum Preisgeld – und etwa einhundert Dosen Espresso. Damit sie immer hellwach bleibt bis zur Rente. Denn manchmal, bekannte Huber, fühle sie sich schon heute „wie eine Oma“. Das Turnier in Frankfurt – ein Spiegelbild ihrer Karriere im Schatten von Steffi Graf: Berg- und Talfahrt.
Mit Glück – Pierce schlug ihre Bezwingerin aus der Vorrunde, Amanda Coetzer aus Südafrika – zog Huber mit nur einem Vorrundensieg in das Halbfinale am Sonnabend ein. Und dort schlug sie Majoli (6:3, 6:4). Huber wirkte dabei so ausgeschlafen, als habe sie vor dem Match den Inhalt einer ihrer Espressodosen aufgegessen. Gibt es Dopingkontrollen bei Showturnieren? Ihre Endspielgegnerin stand praktisch schon vor Turnierbeginn fest: Martina Hingis, von ihrer Mutter nach der großen Navratilova benannt. Die Schweizerin besiegte in diesem Jahre fast jede Gegnerin. Und wäre sie im Sommer nicht vom Pferd gefallen, hätte sie wohl alle Grand-Slam-Titel der Saison gewonnen. Die gebürtige Tschechin führt die Weltrangliste mit über 2.500 Punkten Vorsprung an. Ungeschlagen hatte sie auch in Frankfurt das Finale erreicht: Siege gegen Pierce, Coetzer und Huber und im Halbfinale mit 6:4, 6:3 gegen Lindsay Davenport (USA). Warum sie dann gegen Huber verlor muß ein Rätsel bleiben.
Auch wenn gestern und auch schon zu den Halbfinalspielen ein paar mehr den Weg in die Festhalle gefunden hatten: Das ATP-Masters der Damen sollte doch „bitte schön“ weiter in New York ausgetragen werden, meinte Martina Hingis. Und das Masters of Veltins? Das wird im nächsten Jahr vielleicht ein Dart-Turnier sein, mit all den Champions aus all den kleinen Kneipen, in denen das Bier aus dem Sauerland aus dem Zapfhahn fließt. Dann könnte auch umgezogen werden: etwa ins Bürgerhaus von Sindlingen. Klaus-Peter Klingelschmitt
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