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Kuscheln mit Salzkrebschen

■ Biologische Experimentierkästen bringen – vom Biotümpel bis zum Ameisenhügel – die ganze (Um-) Welt auf den Gabentisch / Die Alternative: Ein Waldspaziergang

iiihhhhhh“, Mutters gellender Ruf durchschneidet schrill die Wohnung. Die Augen sind starr an die Decke gerichtet: eine Spinne. Verkaufen Sie ihr das mal als Naturbeobachtung. Aber Phobiker müssen sich in Zukunft zusammenreißen. Denn biologische Experimentierkästen erobern den Geschenkemarkt – und was ein moderner Biokasten sein will, der arbeitet heute wie selbstverständlich mit Lebewesen.

Früher in der Volksschule war das nicht anders. Da wurde im Fach Heimatkunde schon mal ein Glas Wasser aus dem Vorstadttümpel geholt und auf merkwürdiges Getier hin untersucht. Großen Spaß machte es auch, die Pantoffeln des Pantoffeltierchens zu finden. Heute bringt der Experimentierkasten „Schauplatz Teich“dies ins Wohnzimmer. Sauber und einfach: Ein kleines Fangnetz, ein Beobachtungsbecken, Objektträger, Pinzette, Lupe, alles fein sortiert – nur das Schmuddelwasser muß man immer noch aus der Pfütze holen. Und schon kann man mit einem einfachen Untersuchungsaufbau der Frage nachspüren: „Wie dressiert man Fische, welche Pflanzen und Tierchen tummeln sich im Wasser? Wie rette ich Wasserläufer vor dem Ertrinken?“Fragen, die das Leben oder das Begleitheft stellt. Darauf ist am besten schon beim Kauf zu achten: Ohne gutes Begleitbuch im Kasten ist die ganze Apparatur nur die Hälfte wert.

Einen Schritt weiter als bis zum „Schauplatz Teich“kommt man mit dem Experimentier-Set „Salzkrebschen Farm“. Tatsächlich liegen dem Kasten getrocknete Salzkrebseier bei. Diese müssen herangezüchtet werden. Doch Vorsicht: Der erste Schritt kann schon zum Exitus führen: Salzkrebse sind vornehmlich in Amerika in den großen Salzseen beheimatet – in Süßwasser gehen sie sofort ein.

Gut einen Monat dauert es, bis aus einem Trockenei ein Salzkrebs geworden ist. Dann lebt er, wenn die Bedingungen gut sind. Die Krebse geben zwar nicht Pfötchen, kuscheln klappt auch nicht, aber man kann sie in all ihren Entwicklungsstadien beobachten. Und vor allem selber eingreifen. Denn um eine lebende Farm aufzuzüchten, braucht es schon ein bißchen Fürsorge – selbst wenn die Viecherchen nicht mal einen Millimeter groß werden. Ein nutzbringender Nebeneffekt: Manch einer leistet sich die Farm, um Lebendfutter für Zierfische zu züchten.

Der Hammer aber kommt aus Amerika. Ameisenhügel fürs Wohnzimmer. Tatsächlich war dieses Set in Bremen letztes Weihnachten der Renner. Die „Giant Ant Farm“ist ein zwei Zentimeter breiter Plastikkasten, mit Sand gefüllt. Eine spezielle Duftdose ist Bestandteil des Sets: Damit muß man im Frühjahr losziehen und dreißig Ameisen anlocken. Aber keine roten Waldameisen! Die stehen unter Naturschutz.

Und bitte auch nur Ameisen von einer Stelle. Kommen sie nicht aus der gleichen Kolonie, so metzeln sie sich gegenseitig nieder.

Im Sand des Plastikkastens fangen die Ameisen sofort an, eine Kolonie zu bauen. Ameisen prägen eine starke Solzialstruktur aus, sind ordentlich, graben Buchten für ihren Müll, bauen Höhlen zum gesitteten Fressen.

Ganz so interaktiv wie die „Salzkrebschen Farm“(oder das Tamagochi) ist das nicht. So spannend wie im Fernsehen aber kann es mindestens sein. Diesem Kasten liegt übrigens ein gut übersetztes Begleitheft bei. Trotzdem noch ein Tip für den Laboranten in spe: Da man niemals eine Ameisenkönigin fangen wird, gibt's zu Hause auch keinen Nachwuchs. Spätestens nach einem halbem Jahr sollte man die Tierchen also wieder in freier Wildbahn aussetzen.

Denn nicht nur Hunde, Katzen, Kanarienvögel benötigen Pflege, auch Ameisen sind Tiere und als solche zu behandeln. Die Altersvorschläge auf den Kästen sind aus diesem Blickwinkel oft recht großzügig angelegt.

Und natürlich kann man sich all diese biologischen Spielchen auch selbst zusammenbasteln. Heuschrecken fangen können Kinder nämlich ohne Experimentierkasten. Hier mal einen Stein hochnehmen, da mal an einer Baumrinde prokeln, bewußt spazierengehen und mit den Kindern reden, bringt ihnen auch Natur nahe. Die nämlich findet immer noch draußen statt. Thomas Schumacher

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