Die Banker reiben sich schon die Hände

Die Krise in Südostasien macht es möglich: Weltweit dürfen Versicherungen und Banken arbeiten, nachdem das WTO-Abkommen unterzeichnet wurde. Profitieren werden die USA und die EU  ■ Aus Genf Andreas Zumach

Der weltweite Markt für internationale Banken, Versicherungen, Vermögensverwaltungen und andere Finanzdienstleistungsunternehmen wird ab Februar 1999 erheblich liberalisiert. Darauf einigten sich knapp 100 Mitgliedsstaaten der Welthandelskonferenz (WTO) nach über zweieinhalbjährigen Verhandlungen in der Nacht zum Samstag in Genf. Die Einigung kam zustande, nachdem einige südostasiatische Staaten auf Druck der USA in letzter Minute noch verbesserte Angebote für die Öffnung ihrer Märkte vorgelegt hatten.

Nach Einschätzung von Branchenexperten werden von der Liberalisierung zunächst die bereits international tätigen Konzerne aus den USA und den EU-Staaten profitieren. Vertreter der EU und der USA erklärten am Wochenende übereinstimmend, das „sehr gute Abkommen“ werde „die Weltwirtschaft stärken“. Für die Kunden sollen Kredite und Versicherungen preiswerter und weniger riskant werden.

Die Liberalisierung erleichtert den Erwerb und die Gründung von Banken und Versicherungen durch ausländische Unternehmen und verbessert die Bedingungen für den Marktzugang von Auslandsfirmen. Gemäß den WTO- Regeln gilt das Abkommen nicht nur für die knapp 100 zuletzt an den Genfer Verhandlungen beteiligten, sondern für sämtliche 132 WTO-Mitgliedsstaaten. Damit sind rund 95 Prozent des weltweiten Marktes für Finanzdienstleistungen abgedeckt.

Diese Sparte gilt als eine der profitabelsten Wachstumsmärkte der Welt. 1996 betrugen die weltweiten Bankeinlagen rund 20 Billionen US-Dollar (35,6 Billionen Mark/30 Billionen Franken). Das Prämienaufkommen von Versicherungen belief sich auf zwei Billionen Dollar sowie der Wert von bei Vermögensverwaltungen registrierten Aktien über zehn Billionen US-Dollar. Im internationalen Verkehr mit Finanzdienstleistungen wurden 1996 täglich rund 1,2 Billionen Dollar umgesetzt. Größter Einzelmarkt sind die USA direkt vor den Staaten der Europäischen Union. Ihre Erwartung auf erhebliches Wachstum insbesonders in Asien, Lateinamerika und Osteuropa begründen Liberalisierungsbefürworter unter anderem mit einem Vergleich der Prämieneinnahmen von Versicherungen. In Japan betrugen sie 1996 über 637 Milliarden US-Dollar, in Indien mit einer fast zehnmal größeren Bevölkerung lediglich sechs Milliarden, in Indonesien 2,4 Milliarden und in Ungarn 950 Millionen Dollar.

Verhandelt haben die WTO- Staaten über eine Liberalisierung der Finanzdienstleistungen bereits seit der 1994 abgeschlossenen letzten Verhandlungsrunde des WTO- Vorläufers Gatt (Allgemeines Zoll-und Handelsabkommen). Einem im April 1995 von 43 WTO- Staaten vereinbarten Interimsabkommen hatten die USA aus Unzufriedenheit über die Marktöffnungsangebote asiatischer und lateinamerikanischer Staaten nicht zugestimmt. Die Clinton-Regierung steht unter Druck heimischer Banken und Versicherungskonzerne sowie des zunehmend WTO- kritischen Kongresses.

Obwohl bei Ablauf der Frist für die Aushandlung eines endgültigen, für alle WTO-Mitglieder verbindlichen Vertrages am Freitag um Mitternacht 70 Länder zum Teil erheblich verbesserte Angebote vorgelegt hatten – darunter Indien, Indonesien, Malaysia, Südkorea, Thailand und Brasilien – verweigerten die US-Unterhändler in Genf weiterhin die Zustimmung und erzwangen eine zweistündige Fristverlängerung. Erst nach erneuter Nachbesserung der Angebote Südkoreas, Indiens und Thailands kam das grüne Licht aus Washington. Die Regierungen einiger südostasiatischer Staaten, die derzeit von schweren Finanzkrisen erschüttert werden, mußten in den letzten Wochen bereits erhebliche, wenig populäre Zugeständnisse an die Weltbank und den Internationalen Währungsfonds machen als Gegenleistung für neue Milliardenkredite. Die Bereitschaft zu Konzessionen im Rahmen der WTO-Verhandlungen war daher gering. Den Unterhändlern dieser Länder wurde in Genf allerdings das Argument entgegengehalten, Hongkong und Singapur seien deswegen vergleichsweise geringer von der Finanzkrise betroffen, weil die Finanzmärkte dieser beiden Länder bereits weiter liberalisiert sind als in anderen asiatischen Staaten.

Wirtschaftsminister Rexrodt und Finanzminister Waigel begrüßten die WTO-Einigung. Der grenzüberschreitende Handel Deutschlands mit Finanzdienstleistungen ist in den vergangenen Jahren von 0,5 auf 20,5 Milliarden Dollar gestiegen.