: "Man kann uns nicht kaufen"
■ Die Diskussion um van Goghs Sonnenblumen richtet sich auch gegen das Amsterdamer Van-Gogh-Museum. Um ihre Echtheit nachzuweisen, müßte man sämtliche Versionen vergleichen. Ein Gespräch über das Mammutprojekt mi
Aus der Debatte um die Echtheit einer von fünf Fassungen der „Sonnenblumen“ Vincent van Goghs (taz vom 15.11. 1997), die heute dem japanischen Versicherungsunternehmen Yasuda gehört, ist inzwischen eine Debatte um die Seriosität des Amsterdamer Van- Gogh-Museums geworden. Die britische Journalistin Geraldine Norman warf dem Museum in der „Sunday Times“ vor, es sei zu einem unabhängigen Urteil nicht fähig, weil Yasuda dem Museum gerade für 37,5 Millionen Gulden einen neuen Anbau finanziere. Diesen Vorwurf wiederholte der Münchener Kunsthistoriker Matthias Arnold in der „FAZ“ vom 17.11. 1997 . Er hält die Yasuda-„Sonnenblumen“ vor allem wegen der groben Leinwand für falsch, auf der sie gemalt wurden. John Leighton ist Direktor des Van-Gogh-Museums, Sjraar van Heugten ist Kurator am „Van Gogh Research Project“.
taz: Ihre Kritiker werfen dem Van-Gogh-Museum mehr oder weniger offen vor, es sei in der Frage der Echtheit der Yasuda- Sonnenblumen nicht neutral, weil Ihnen das Unternehmen gerade einen Anbau finanziert. Ist das Van- Gogh-Museum käuflich?
John Leighton: Das ist eine ebenso lächerliche wie empörende Unterstellung. Wir sind ein unabhängiges wissenschaftliches Forschungsinstitut. Das Urteil unserer Kuratoren kann man nicht kaufen. Es wird eine genaue Untersuchung der Yasuda-Blumen geben, und deren Ergebnisse werden vollständig veröffentlicht, ganz gleich, wie sie ausfallen.
Welche Gegenleistungen erwartet Yasuda für seine Spende?
Leighton: Das war ein höchst großzügiges Geschenk. Das Museum benötigt schon seit langem einen Anbau. Im Van-Gogh-Jahr 1990 wurde dann gezielt nach einem Sponsor gesucht. Der Yasuda-Vorsitzende ist ein Van-Gogh- Liebhaber, so entstand die Idee der zweckgebundenen Spende. Das Unternehmen, das drei Jahre zuvor die „Sonnenblumen“ gekauft hatte, wollte damit den Niederlanden und van Gogh etwas zurückgeben. Wir wiederum haben daraufhin fünf jährliche Ausstellungen zusammengestellt, die in Japan gezeigt wurden. Selbst das war aber keine Bedingung – schließlich ist unsere Aufgabe auch, die Bedeutung van Goghs weltweit zu fördern. Hätten wir das nicht gemeinsam mit Yasuda getan, hätten wir mit einem anderen Partner zusammengearbeitet.
Warum sollen die „Sonnenblumen“ jetzt trotzdem untersucht werden? Damit geben Sie Ihren Kritikern doch recht...
Leighton: Wir haben in dieser Debatte inzwischen ein Stadium erreicht, in dem die Öffentlichkeit zunehmend verwirrt wird. Besucher stehen hier in Amsterdam bei uns im Museum vor unserer Version der „Sonnenblumen“, die nie in Frage stand, und rätseln darüber, ob dieses Bild denn nun tatsächlich echt ist. Das hat mit wissenschaftlicher Diskussion nichts mehr zu tun. Wir haben deshalb mit der National Gallery in London und mit Yasuda in Tokio Gespräche mit dem Ziel aufgenommen, zu klären, ob eine gemeinsame Untersuchung unter Einbeziehung auch externer Experten möglich ist. Dabei soll es um eine naturwissenschaftliche und um eine stilistische Analyse anhand der Originale gehen. Viele unserer Kritiker urteilen ja allein aufgrund von Fotos, das halten wir für absurd und nicht seriös. Wir wollen die Gemälde, obwohl sie extrem fragil sind, deshalb nach Möglichkeit zusammenbringen.
Hat Yasuda dazu schon Bereitschaft signalisiert?
Leighton: Wir haben darüber schon vor einigen Wochen gesprochen, bevor die öffentliche Diskussion so hochkochte. Damals war die Position von Yasuda, daß so etwas nicht vor laufenden Fernsehkameras und nicht innerhalb einer Woche möglich sei – das braucht Zeit. Diese Einstellung teile auch ich.
Kennen Sie das Bild im Original?
Leighton: Ich war Kurator an der National Gallery in London, als Anfang der 80er Jahre die damalige Besitzerin Helen Beatty neben zwei Werken von Cézanne und einem von Degas als Leihgabe auch die „Sonnenblumen“ dorthin brachte. Danach hingen die museumseigene Version, die als erste der „Sonnenblumen“-Fassungen van Goghs gilt, und die Beatty-Fassung, die als deren Kopie gilt und heute Yasuda gehört, viele Jahre nebeneinander an derselben Wand.
Gab es in dieser Zeit jemals Zweifel an der Echtheit?
Leighton: Mir sind keine bekannt. Wir haben die Gelegenheit damals genutzt, die Bilder zu vergleichen. Dabei sind uns die Ähnlichkeiten und natürlich auch die Unterschiede aufgefallen.
Diese Unterschiede gelten heute als Beleg dafür, daß die Beatty- Yasuda-Version nicht echt ist: das Bild ist nicht signiert, es hat ein kleineres, später vergrößertes Format als die anderen Fassungen und wurde auf anderer Leinwand gemalt.
Sjraar van Heugten: Wenn wir alle Van-Gogh-Gemälde falsch nennen würden, die keine Signatur haben, würden wir das ×uvre stark dezimieren. Van Gogh signierte nur dann, wenn er mit einem Werk voll und ganz zufrieden war, und kurz nach dem Entstehen der „Sonnenblumen“ hörte er sogar ganz damit auf. Die fehlende Signatur ist also keinesfalls ein Argument gegen die Echtheit. Im Gegenteil: Wir kennen viele Fälschungen, und fast alle sind signiert. Was die Leinwand und die Farbe angeht, müssen wir noch genaue Untersuchungen anstellen. Daß die Leinwand vergrößert wurde, kann man aber mit bloßem Auge sehen: die Ränder sind nicht von van Gogh, das ist ziemlich sicher. Dort gibt es keine van-Gogh- typischen Pinselstriche mehr, sondern mehr so etwas wie eine Farbsuppe. Und die Behauptung, daß die benutzte grobe Leinwand gegen die Echtheit spreche, ist auch unhaltbar: Wir wissen, daß van Gogh und Gauguin sich in den letzten Monaten des Jahres 1888 zwanzig Meter grobe Leinwand teilten. Es gibt eine Reihe weiterer Van-Gogh-Werke, die ebenfalls darauf entstanden sind: die „Arlésienne“ in New York zum Beispiel, unser „Stuhl von Gauguin“ oder die „Alyscamps“, bei denen van Goghs Pinselstrich auch sehr ungewöhnlich ist und dem Gauguins ähnelt. Sogar das Porträt, das Gauguin von van Gogh beim Malen der Sonnenblumen machte und das sich heute in unserer Sammlung befindet, ist auf solch grober Leinwand entstanden. Möglicherweise erklärt das auch das ursprünglich kleinere Format der Yasuda-„Sonnenblumen“: Es könnte sich um den Rest der gemeinsam genutzten groben Leinwand handeln. Aber das ist zur Zeit natürlich Spekulation.
Als möglicher Urheber der Yasuda-„Sonnenblumen“ wird immer wieder Claude-Émile Schuffenecker genannt. Trauen Sie ihm das Bild zu?
van Heugten: Die Leute, die das Bild für ein Schuffenecker-Gemälde halten, sollten beweisen, daß Schuffenecker künstlerisch überhaupt fähig gewesen wäre, in dieser Weise zu malen. Es gibt kein bekanntes Schuffenecker-Werk, daß van Goghs Malweise entspricht. Er könnte möglicherweise die Ergänzung am Rand gemalt haben. Das sollten wir mit Hilfe von Farbproben zu klären versuchen.
Leighton: Instinktiv würde ich sagen, er ist als Künstler nicht gut genug. Interview: Stefan Koldehoff
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