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Das PortraitEin launiger Redner für alle Parteiflügel

■ Alexander Van der Bellen

Wer Österreichs Grünen die Wirtschaftskompetenz absprechen will, wird sich in Zukunft schwertun. Mit Alexander Van der Bellen wählten sie am Samstag einen Ökonomieprofessor und Finanzexperten zum Bundessprecher und Parteivorsitzenden, der auch in konservativen Kreisen als Fachmann anerkannt wird. Der 53jährige trat als einziger Kandidat an und wurde mit sensationellen 82,3 Prozent der Delegiertenstimmen abgesegnet. „Machts ma des Leben net unnötig schwer“, hatte er gebeten und sich zumindest eine Zweidrittelmehrheit gewünscht. Sein Vorgänger Christoph Chorherr war vor weniger als zwei Jahren nur auf knapp über 50 Prozent gekommen. Wegen interner Querelen war er im Oktober zurückgetreten.

Van der Bellen, der Sohn einer Estin und eines Russen niederländischer Abstammung, kam in der Sowjetunion zur Welt und wuchs in Tirol auf. Zu den Grünen holte ihn einer seiner ehemaligen Studenten, der frühere Bundessprecher Peter Pilz, der ihm 1994 ein Nationalratsmandat antrug. Im Parlament hat Van der Bellen sich meist aus den Flügelkämpfen zwischen Fundis und Realos herausgehalten.

Der Herr Professor war entgegen der Parteilinie für den EU-Beitritt und die Währungsunion, hält aber die Nato-Beitrittsbestrebungen der ÖVP für militärpolitischen Unfug. Österreich brauche die Grünen, versichert er, „als linkes ökologisches Korrektiv“; als antimilitaristische Partei, die für jene eintrete, „die sich im Kapitalismus nicht zurechtfinden“.

Mit diesen Prinzipien können alle Parteiflügel leben. Ein launiger Redner ist Van der Bellen außerdem, und er verfügt über genug Souveränität, um die Dogmatiker unter den Tisch zu diskutieren und auch andere Parteien zu überzeugen. Vor allem das Liberale Forum, das mit den Grünen etwa gleichauf bei sieben Prozent liegt, fürchtet Verluste. „Sascha“ Van der Bellen hält denn auch einen grünen Wähleranteil von zehn bis fünfzehn Prozent für realistisch. Die erste Kraftprobe gibt es im März in Niederösterreich, wo die Grünen endlich in den Landtag einziehen wollen.

Bei den Bundespräsidentschaftswahlen hätte der neue Sprecher zwar gern einen eigenen Kandidaten ins Rennen geschickt – doch er selber lehnte die Ehre kategorisch ab. Ralf Leonhard

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