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Schweizer Telefongesellschaft „Swisscom“ hört mit

■ Handy-Benutzer werden in der Schweiz überwacht. Daten gehen an Polizei und Staatsschutz

Genf (taz) – Die über eine Million Benutzer von Mobiltelephonen in der Schweiz werden von der nationalen Telefongesellschaft „Swisscom“ systematisch überwacht. Die Anwendung einer neuen Technologie erlaubt die Speicherung von Daten rückwirkend über einen Zeitraum von bis zu sechs Monaten und die Erstellung genauer Bewegungsprofile. Ein entsprechender Bericht der Zürcher Sonntagszeitung wurde von einem Sprecher der „Swisscom“ bestätigt. Der Sprecher bestritt aber die Darstellung der Zeitung, wonach auch der Staatsschutz und der Polizei Zugriff auf die Daten hätten. Die Daten würden nur zum Zwecke der Erstellung von Kundenrechnungen erstellt. Der eidgenössische Datenschutzbeauftragte Odilo Guntern war nach eigenen Angaben nicht informiert. Er bezeichnete die Datensammelaktion als Verstoß gegen das Schweizer Fernmeldegeheimnis und will bei der Swisscom vorstellig werden.

Die von der Swisscom angewandte Technologie erlaubt die Erstellung bis auf wenige hundert Meter genauer Bewegungsprofile von Benutzern der als „Natels“ bezeichneten Mobiltelephone. In der Schweiz gibt es rund 3.000 Funk- Basisstationen für die Übermittlung von „Natel“- Gesprächen. Sobald ein „Natel“ eingeschaltet wird, nimmt es automatisch Kontakt mit der jeweils nächstgelegenen Station auf. Bereits dieser Vorgang wird an einen zentralen „Swisscom“-Computer in Bern weitergeleitet — unabhängig davon, ob telefoniert wird.

Bewegt sich der Kunde mit seinem eingeschalteten „Natel“ in den Bereich einer anderen Funk- Basisstation, wird auch dieser Vorgang an den Zentralcomputer gemeldet. Der Computer speichert die Daten ein halbes Jahr lang. Betroffen von der Überwachung sind nicht nur die im Schweizer Mobilfunknetz angemeldeten Kunden, sondern auch Kunden ausländischer Netze, die ihr Gerät in der Schweiz eingeschaltet haben.

Die Sonntagszeitung stützt sich auf die Aussagen mehrerer Untersuchungsrichter, die in der Vergangenheit durch Anordnungen der Polizei und dem Staatsschutz Zugriff auf mit dieser Technologie gesammelte Daten ermöglichte. Nach Angaben dieser Richter sind die Daten ein „effizientes Fahndungsmittel“. Die Schweizer Bundesanwaltschaft und das Innenministerium erklärten, für die Datensammlung sei allein die „Swisscom“ verantwortlich. Von den 6,1 Millionen Eidgenossen besitzen bereits über eine Million ein Mobiltelefon. Damit ist die Schweiz nach Finnland und Schweden schon jetzt das Land mit der drittgrößen Mobilfunkdichte der Welt. Andreas Zumach

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