: Heimbewohner zurück nach Bremen
■ Sozialsenatorin Tine Wischer will Bremens Heimbewohner aus dem Speckgürtel ins „gemeindenahe Umfeld“zurückholen.
„Bremer leben in Bremen“findet Tine Wischer (SPD), die Sozialsenatorin der kleien Hansestadt. Zweifellos ein mögliches, wenn auch nicht hinreichendes Merkmal des „Bremers“als solchem. Seit gestern aber ist es mehr. Mit dem Programm „Bremer leben in Bremen“will Bremens Sozialbehörde künftige Heimbewohner davon überzeugen, lieber in Bremen als in Niedersachsen eine Bleibe zu suchen.
Jeder vierte Bremer, der in einem Heim wohnt, so fand die Abteilung für Zentrale Dienste heraus, wohnt jenseits der Landesgrenze: zum Beispiel im Altersheim in Oyten, im Behindertenheim in Lilienthal, im Jugendheim Haus Wümmetal in Lauenbrück oder in einer Suchteinrichtung in Fredeburg. „Nicht immer freiwillig“aber seien diese 2000 Menschen in die Heime ins Grüne gezogen, weiß Tine Wischer. Häufig sei der Grund ein unzureichendes Angebot an Heimplätzen im Landesinneren gewesen. Dies wolle man nun innerhalb der nächsten zehn Jahre ändern – vor allem durch Überzeugungsarbeit gegenüber den künftigen Heimbewohnern, teilweise aber auch mittels Rückführung aus dem Umland.
Bis zum Jahr 2007 wird die Sozialbehörde in Bremen 824 Heimplätze zusätzlich schaffen, um den Betroffenen eine gemeindenahe Unterbringung zu ermöglichen. Für Kinder und Jugendliche ist diese sogar gesetzlich vorgeschrieben. Einrichtungen müßten so geplant sein, so fordert das Sozialgesetzbuch (SGB), daß Kontakte im sozialen Umfeld erhalten bleiben. Ganz so eng hat es Bremen in den letzten Jahren mit diesem Gesetz nicht genommen: Von drei Jugendlichen unter 15 Jahren werden zur Zeit zwei in Einrichtungen außerhalb Bremens verwiesen. Schuld daran, sagt Heino Heinken, Abteilungsleiter für Zentrale Dienste in der Sozialbehörde, sei Bremens Sozialsenator in den Jahren 1983/84 gewesen: Henning Scherfs Behörde hatte damals beschlossen, die Jugendbetreuung ganz auf die ambulante Ebene zu verlegen. Ganze Heime seien damals abgeschafft worden. „Unter dieser fachlichen Fehlentscheidung“, so Heinken, leide Bremen noch heute.
Auch finanziell. Das Programm „Bremer leben in Bremen“nämlich hat den Anspruch, neben sozialen nicht zuletzt auch pekuniäre Einbußen auszugleichen. 824 belegte Heimplätze zusätzlich nämlich werden dem Stadtsäckel ab dem Jahr 2007 jährlich steuerliche Mehreinnahmen von 27 Millionen Mark bringen, so errechnet Rolf-Dieter von Bargen, der für das Programm verantwortlich zeichnet. Diese kämen vor allem durch die Mehrzahlungen im Länderfinanzausgleich zustande. Außerdem werde man dadurch 500 neue „hochqualifizierte“Arbeitsplätze gewinnen – mit einem arbeitsmarktpolitischen Effekt von nochmal zwei Millionen Mark: „Ansiedlungsvorhaben in dieser Größenordnung würden normalerweise ein enormes Aufsehen erregen“, so Heino Heinken nicht ohne Stolz. Insbesondere, weil die Sache auch noch kostenneutral vonstatten gehen soll.
Die Investitionskosten schätzt man in der Behörde auf rund vier Millionen Mark – diese will die Sozialsenatorin ausgleichen, indem sie in Bremen kostengünstiger betreut als dies bei ihrer in Niedersachsen untergebrachten Klientel bisher der Fall war. Zum Beispiel, indem man in Bremen die Heimunterbringung von Behinderten durch das preiswertere „Betreute Wohnen“ersetzt. ritz
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen