Bahros Vermächtnis in Gefahr

■ Vor seinem Tod initiierte Rudolf Bahro ein "ökologisch-soziales" Graduiertenkolleg. Alle befürworten das Projekt im Geist der 92er Rio-Konferenz - Berlins Wissenschaftssenator mauert

Berlin (taz) – Kaum liegt Rudolf Bahro auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin begraben, da wird sein universitärer Nachlaß gefleddert. Bahro, der mehr als einmal in seinem Leben wegweisende Anstöße gab, initiierte kurz vor seinem Tod ein Doktorandenseminar, das sich der „ökologisch- sozialen Landkultur“ widmen sollte. Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und die Humboldt-Universität wollen das Vorhaben finanzieren. Aber Wissenschaftssenator Peter Radunski (CDU) hat sein Veto eingelegt: Weil die Heimatfakultät des Kollegs ab 2001 sparen muß, lehnt er die Promotion der 24 jungen Wissenschaftler ab.

Eine „abstruse Begründung“ der Berliner Kultusbürokratie, meint nicht nur die grüne Fraktionssprecherin Sibyll Klotz. Vor einem Jahr hatte sich Radunski noch grundsätzlich für unzuständig erklärt, sogenannte Graduiertenkollegs zu finanzieren. Das sei Aufgabe der mit eigenen Haushalten ausgestatteten Unis in Berlin. Bei Rudolf Bahros Nachwuchsförderung will der Senator nun wieder mitreden. „Bahros Kolleg ist politisch nicht gewollt“, mutmaßt Sibyll Klotz über die wahren Hintergründe. Sie ärgert sich über den Schlag „gegen sein letztes Vermächtnis“.

In Graduiertenkollegs, von denen es in ganz Deutschland rund 300 gibt, will man junge Uni-AbsolventInnen im interdisziplinären Zusammenhang zum Doktortitel führen. Rudolf Bahro, notorischer Grenzüberschreiter, erfüllte diese Voraussetzungen. Graduierte verschiedener Fächer sollen sich mit dem „Konflikt zwischen Welternährung und Ressourcenschutz“ befassen. Das hieße in der Praxis, eine Landwirtschaft jenseits von chemiegestützter Massenproduktion anzustreben. Zum Programm gehört eine theoretische Auseinandersetzung mit dem schillernden Begriff der Nachhaltigkeit. Obwohl Bahro auch ein Eigenbrötler war, fand er Unterstützung bei einem Dutzend Professoren der renommierten landwirtschaftlich- gärtnerischen Fakultät. Politisch knüpft er an das ökologische Weltprojekt an: die Rio-Konferenz von 1992, die die Nachhaltigkeit zum Thema machte.

Humboldt-Präsident Hans Meyer hat, genervt von den ständigen staatlichen Interventionen, den Wissenschaftssenator aufgefordert, dem Kolleg zuzustimmen – zumal es sich um eine reine Formalie handle. cif