: Bomben unterm Emssperrwerk
■ Das geplante Emssperrwerk spaltet die niedersächsischen Grünen: Zu viel Protest könnte eine rot-grüne Koalition gefährden / Die Anhörungen zur Planungsberechtigung geraten zur Farce
„Wenn es sein muß, machen wir das Sperrwerk zum niedersächsischen Garzweiler“, droht Meta Janssen-Kucz, zukünftige Landtagsabgeordnete der Grünen in Niedersachsen. Die ehemalige Vorstandssprecherin der Landesgrünen ist verärgert darüber, daß die Partei die Auseinandersetzungen um das Emssperrwerk nicht stärker in den Wahlkampf einbaut.
Sperrwerk-Gegner sehen in der von der Landesregierung geplanten Barrikade der Ems ein ökologisches Desaster und eine illegale Subvention für die Papenburger Meyer- Werft, die große Schiffe aus dem Binnenland an die 30 Kilometer entfernte Küste schleppen will. Verfechter des Sperrwerks, wie der niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Schröder (SPD) und der Papenburger Bundestagsabgeordnete Rudolf Seiters (CDU), sprechen dagegen von einer Maßnahme des Küstenschutzes.
Wie das Braunkohlegebiet Garzweiler die rot-grüne Koalition in Nordrhein-Westfalen zu sprengen droht, so fürchten Grüne in Niedersachsen nun, daß das Sperrwerk eine solche Koalition in Hannover nach den Landtagswahlen im März verhindern könnte. „Ich fürchte, einige von uns wollen bis zur Landtagswahl alle Konflikte mit der SPD entsorgen“, sagt Dorothea Wolf aus der grünen Landtagsfraktion. Sie würden „lieber Kröten schlucken, als ein niedersächsisches Garzweiler zu riskieren“.
Seit Mittwoch vergangener Woche finden in Emden wieder Anhörungen zum Planfeststellungsverfahren statt. Wann der Kampf der Gutachter zu Ende ist, ist noch nicht absehbar. Offenbar waren die Planer mangelhaft vorbereitet, Infos fehlten, der Vorsitzende Burkhard Struthoff scheint schlicht überfordert. Die Anhörung ist eine Farce: Übergeordnete Behörden kanzeln ein Gutachten der eigenen Fachleute des Niedersächsischen Landesamtes für Ökologie ab, das den Nutzen des Sperrwerks für den Küstenschutz nicht feststellen kann. Am zukünftigen Standort der Werft sind mehr als 20 Bomben aus dem zweiten Weltkrieg geortet wurden. „Alle ferroenergetischen Felder müssen geöffnet werden“, sagt der Projektleiter des Sperrwerks, Starke. Dadurch sind die ursprünglich auf 500 Millionen Mark begrenzten Baukosten unkalkulierbar geworden.
Am 21. Januar wird im Hannoveraner Landtag ein dubioser Vorschaltnachtragshaushalt verabschiedet – Nachtrag, weil der Doppelhaushalt 1997/98 Lücken aufweist, und vorgeschaltet, weil es nicht um den gesamten Haushalt geht, sondern nur um das Geld für das Sperrwerk. Am gleichen Tag soll der Bau öffentlich ausgeschrieben werden, auch wenn die rechtlichen Grundlagen nicht ausreichen.
Die Grünen werden gegen den Haushalt stimmen müssen. „Sonst machen wir uns unglaubwürdig“, meint ein Mitglied der Fraktion. Aber Alarm schlagen werden sie nicht: Statt dessen sind sie dabei, potentielle Ministerposten zu verteilen. Ärger mit der SPD können sie nicht brauchen.
Sollten sie an die Macht kommen, so befürchtet man an der Basis, müsse erst recht Ruhe herrschen, weil dann die Bundestagswahl ansteht. In Fraktionssitzungen soll die niedersächsische Umweltministerin Rebecca Harms gebeten haben, „das Sperrwerk nicht zu hoch zu hängen“. Und Michel Golibrzuch aus dem ostfriesischen Esens, der gerne Wirtschaftsminister werden möchte, umgeht das ökologische Paradethema gleich weitläufig.
Thomas Schumacher
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