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Psychokiste im All

■ In Paul Andersons "Event Horizon" lauert der Schrecken nicht in den Weiten des Weltraums, sondern in den Tiefen des Unterbewußtseins

Es müssen nicht immer Aliens oder XXL-Monsterkäfer sein. Der größte anzunehmende Schrecken lauert eben doch in den Tiefen des menschlichen Unterbewußtseins, dort, wo die unverarbeiteten Erfahrungen und Erinnerungen herumliegen und auf ihren Einsatz warten. Das weiß auch der britische Regisseur Paul Anderson. Dessen „Event Horizon – Am Rande des Universums“ ist rein äußerlich zwar ein reiner Science- fiction-Film, arbeitet aber nur mit den Thrills und Pills der klassischen Psycho- und Horrorfilme.

Die „Event Horizon“ ist ein Raumschiff, das sich im Jahre 2040 auf den Weg macht, das Sonnensystem zu erforschen und hinter die Kulissen des Universums zu blicken, Stichwort: Schwarzes Loch. Das zu erklären, wäre allerdings an dieser Stelle zu kompliziert. Das Ende der Geschichte heißt jedenfalls, daß die „Event Horizon“ spurlos in der Unendlichkeit des Kosmos verschwindet.

Sieben Jahre später erhält nach einem mysteriösen Funkspruch ein anderes Raumschiff, die „Lewis & Clark“, den Auftrag, nach dem Verbleib der „Event Horizon“ zu fahnden und den Grund für ihr Verschwinden aufzuklären. Auf der „Event Horizon“ findet sich natürlich kein lebendes menschliches Wesen mehr und anders als erwartbar eben auch kein Alien, nur Leichen, Blut und durch die Gegend schwebende Überreste menschlicher Konsumgüter.

Der Schrecken manifestiert sich hier in der unheilvollen und düsteren Atmosphäre der „Event Horizon“, er ist gesichtslos. Das Fremde und das „Außerirdische“ sind die verdrängten Ablagerungen in den Biographien der „Lewis & Clark“-Crew, die hier peu à peu zum Vorschein kommen — das klingt schwer nach einer Neuauflage des „Solaris“-Komplex. Captain Miller (Lawrence Fishburne) erinnert sich an einen alten Einsatz, bei dem er einen Kollegen nicht mehr retten konnte; dem Erfinder der „Event Horizon“, Dr. Weir (Sam Neill), kommen andauernd die Bilder vom Selbstmord seiner Frau zu Bewußtsein; die Notfallspezialistin Peters (Kathleen Quinlan) meint immer wieder ihren Sohn tot aufgebahrt zu sehen – ein Wissenschaftler-Zombie, wie er nicht besser im „Alien“-Drehbuch stehen könnte.

Alles mal akustische, mal optische Halluzinationen und Wahnerlebnisse, die dem Film seine Spannung und den Schauspielern im Verlauf des Films Schärfe und Profil verleihen, Vergangenheitsbewältigung im Weltraum, die den meisten Mitgliedern der „Lewis & Clark“-Crew am Ende nichts mehr nutzt. Gerrit Bartels

„Event Horizon – Am Rande des Universums“. Regie: Paul Anderson, Drehbuch: Philip Eisner, Kamera: Adrian Biddle. Mit Lawrence Fishburne, Sam Neill, Kathleen Quinlan, Joely Richardson u.a. USA 1997, 96 Min.

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