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Gesangsarbeit

■ Ist es ein Virus? Haben sie es nötig? Oder warum sonst singen jetzt sämtliche Soap-Stars?

Hach, was singen sie alle so schön. So schön falsch. Es scheint gerade so, als müßten Soap- Schauspieler zwangsläufig auf CD gepreßt werden, damit sie ihre Stimmen nicht verlieren. Dabei haben sie meistens sowieso keine. Vor allem dann nicht, wenn sie Andreas Elsholz heißen und schon in „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ das Stimmvolumen eines Pfefferstreuers hatten. Aber man kann dem Mann das Singen ja nicht verbieten.

Böse Menschen haben keine Lieder. Deshalb sind Soap-Darsteller auch durch die Bank weg sehr liebenswerte Gutmenschen, die tagsüber in der neuen „Melrose-Place“-Staffel mitspielen und abends „Should I leave or should I stay“ auf CD jammern, bis man es ausfadet oder erbricht. So hat das beispielsweise David Charvet gemacht, und auf MTV gibt es jetzt rund um die Uhr auch noch das dazugehörige Musikvideo, in dem David ganz entgegen seiner Gewohnheit überhaupt nie seinen Waschbrettbauch in die Kamera streckt, sondern statt dessen in einem dicken Pulli zu ertrinken scheint, während er so oft „Should I leave or should I stay“ singt, bis der Fernseher ganz von alleine nach Hessen 3 umschaltet.

Dabei kann man diesen Song ja wenigstens noch ertragen, ohne dabei seinen Kopf gegen den Einbauschrank zu rammen. Das muß man nämlich tun, wenn man Andreas Elsholz hört. Oder dieses Musik gewordene Verfallsdatum namens Kira. Die hat in GZSZ die Chris gespielt und anschließend eine Vision gehabt, die ihr eingeflüstert haben muß, sie könne singen. Jetzt hat Kira eine CD gemacht, die „Kira“ heißt und den Hörer leider dazu treibt, Harakira zu machen.

Der Serienfan soll einfach einmal in einen Plattenladen seines Vertrauens stapfen und die Besetzungsliste seiner Lieblings-Soap über die Ladentheke reichen: Garantiert 50 Prozent aller Schauspieler daraus haben schon eine Platte aufgenommen. Ganz neu auf dem Markt: Bruder Hinrichsen, der Ex- Gero aus „Verbotene Liebe“, mit Liedern, die uns leiden lehren. Übrigens alle zum Thema „Love“. Und alle in englisch. Kann der Mann kein Deutsch? Helga Beimer-Schiller aus der „Lindenstraße“ hat auch eine CD gemacht. Die ist deutsch. „Was mir am Herzen liegt“, heißt sie, und könnte natürlich auch „Was mir in den Ohren weh tut“ heißen.

Aber das traf ja früher auch schon auf das Baywatch-Brusthaartoupet David Hasselhof zu, der mit seinem grottendoofen „I've been looking for freedom“ wirklich in die Charts kam. Dabei hätte er eher in eine geschlossene Anstalt kommen sollen, wo man Leuten wie ihm rund um die Uhr die Mikrofone wegschließt. Und erinnert sich noch irgendwer an Sülo Otzkentürk, den fleischgewordenen Schlafzimmerblick aus „Marienhof“? Wissen Sie, was der jetzt macht? Richtig: CD aufnehmen. Und was macht Dr. Gerner aus GZSZ? Jawoll: CD aufnehmen! Von Uwe Ochsenknecht bis Beate Sarikakis, von John aus „Days of our live“ bis Isolde Pavarotti: Alle nehmen sie CDs auf.

Warum denn, um Himmels willen? Grassiert da irgendeine Art Gesangsvirus in der Soap-Landschaft? Als ganz früher mal Bobby Ewing im Duett mit Mirell Madiöh französische Weihnachtslieder im Stil von „Hack mir meinen Pony kürzer“ trällern mußte, war das ja noch lustig. Aber heute? Gebt unseren Soap-Stars mehr Gage, liebe Sender! Es geht nicht an, daß sie ihr Durchkommen nebenher noch mit Gesangsarbeit finanzieren müssen! Am Ende stirbt noch ein Fernsehintendant, und wir müssen rund um die Uhr „Candle in the Wind“ vom Chor der RTL- Serienhelden im Radio hören! Wehret den Anfängen! Frank M. Ziegler

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