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Pfleger-Warnstreik für Tariflöhne

■ Beschäftigte der „Pension Horn“zeigen Arbeitgeber rote Karte

Mittwoch, kurz vor neun Uhr morgens in Blumenthal. Vor dem Seniorenheim „Kapitän Dallmann“packen die ÖTV-Agitatoren Jürgen Humer und Michael Blanke ihr rotes Geschirr aus. „Heute Warnstreik!“: „Rote Karte für die Pension Horn“. Der viertgrößte Träger von Altenpflegeheimen mit vier Häusern in Bremen lehnt Tarifverhandlungen für seine 250 Beschäftigten ab. „Kategorisch“, sagt Jürgen Humer. Statt dessen führe die jeweilige Heimleitung ihre Einstellungsgespräche hinter verschlossenen Türen. „Das hängt vom individuellen Verhandlungsgeschick ab“, bestätigt die Betriebsratsvorsitzende Jutta Rehder, „wer hier wieviel verdient“.

Zehn Uhr. Martina Buttler zieht ihre orangene ÖTV-Weste über und blitzt mit den Augen: „Ich bin eigentlich gerne Altenpflegerin.“Man wolle Herrn Goldschmidt doch gar nicht über den Tisch ziehen, aber „der normale Arbeitnehmer soll endlich kapieren dürfen: Was habe ich gearbeitet und was kriege ich dafür.“Nicht nur, daß „manche im Haus nur 13 Mark brutto verdienen“verdienen. „Ach, einfach Gerechtigkeit“, sagt sie ohne Ausrufezeichen.

Dafür, daß Urlaubs- und Krankheitsgeld in der „Pension Horn“nicht entsprechend der gearbeiteten Zeit, sondern nach Arbeitsvertrag bezahlt wird, habe sich der Träger schon mehrmals vor Gericht verantworten müssen, so Gewerkschaftler Humer. „Überstunden sind im Pflegebereich der Normalfall“. Noch aber läuft an diesem Mittwoch der Betrieb normal. Kaltgewordene Frühstückseier rollen zurück in die Küche und Bobby, der Borderterrier bietet sein Plastikhuhn zum Spiel. Bei Frau Lypp hängt ein Teller: „Seid nett zueinander“, und die 84jährige Annie Köwius platzt heraus: „Von mir bekommen die keinen Pfennig!“Aber eigentlich hatte sie am 11. Januar Geburtstag und meint das auch gar nicht so mit dem „Pfennig“: „Ich bin doch selbst in der Partei.“

Nach der Frühstückspause haben sich knapp vierzig orangene Leute am Bus versammelt, der sie an allen Heimen vorbei zur Geschäftsleitung fährt. Allerdings nicht die Frau aus der Wäschekammer im „Kapitän Dallmann-Haus“: „Ich kann nicht über meinen Schatten springen. Obwohl ich in der ÖTV bin.“Am Ende sind siebzig unterwegs – ein knappes Drittel der Belegschaft mit Fahnen und Galgenhumor: „Oh, das Arbeitsamt! Schaut's euch genau an!“Die Geschäftsleitung aber verspricht erstmal eine Personalversammlung am 28. Januar. Bis dahin wird der Streik ausgesetzt. ritz

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