■ Arafat kehrt mit leeren Händen aus Washington zurück: In der Zwickmühle
Auch nach den Gesprächen in Washington bleibt der Friedensprozeß dort, wo er vorher war: in der Sackgasse. Und der politische Druck lastet wieder auf PLO-Chef Jassir Arafat. Er soll sich mit einem kleineren Teilrückzug zufriedengeben. Und unter Beweis stellen, daß er die sogenannte Infrastruktur des Terrors wirksamer bekämpft als früher.
Arafat steckt in der Zwickmühle. De facto kehrt er mit leeren Händen aus Washington zurück. Weder Zeitpunkt noch Umfang des nächsten israelischen Teilrückzugs wurden in der US-Hauptstadt festgelegt. Vereinbart wurden lediglich weitere Gespräche. Sollte er dieses Ergebnis als Erfolg verkaufen wollen, wird das die Palästinenser zu Hause gegen ihn aufbringen und die islamistische Opposition stärken. Bleibt er hart und verlangt die buchstabengetreue Einhaltung der Oslo-Vereinbarungen, verärgert er die US-Regierung und kann jeden weiteren Teilrückzug in den Wind schreiben. Und: Er müßte eingestehen, daß seine Friedenspolitik gescheitert ist, seine Hoffnung in den „ehrlichen Makler“ USA ein Trugschluß war, der Friedensprozeß, an den er seine Zukunft gebunden hat, vor dem endgültigen Aus steht.
Auch in den eigenen Reihen wächst die Kritik an Arafats Geduld und Nachgiebigkeit. Teile der von ihm geführten Fatah-Organisation sind inzwischen bereit, einen bewaffneten Aufstand anzuzetteln oder zur Intifada vergangener Zeiten zurückzukehren. Gewalttätige Demonstrationen in den besetzten Gebieten sind jedenfalls nicht auszuschließen. Und selbst ein Anschlag von Hamas könnte auf steigende Sympathiewerte zählen. Jassir Arafat steht mit dem Rücken zur Wand. Ihm bleibt nur die Warnung vor oder Drohung mit einer unkontrollierbaren Explosion in den besetzten Gebieten. Auch wenn er weiß, daß eine militärische Konfrontation mit Israel ihn seinem Lebensziel, einem palästinensischen Staat, zumindest vorläufig nicht näher bringen wird und die ohnehin elende wirtschaftliche Lage in den palästinensischen Gebieten weiter verschlechtert.
Zwar könnte Arafat die Verantwortung für diese gefährliche Entwicklung mit Fug und Recht der israelischen und amerikanischen Politik in die Schuhe schieben. Doch einen effektiven Vorteil hätte er davon nicht. Also wird er seine Landsleute um Geduld bitten, diplomatische Pluspunkte sammeln und die Europäer zu einem stärkeren Engagement im Nahen Osten auffordern. In der vagen Hoffnung, daß die Regierung Netanjahu irgendwann über sich selbst stürzt. Georg Baltissen
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen