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Kein Segen für „Hamburger Ehe“

Hamburger will seinen philippinischen Liebsten ehelichen. „Kinkel-Erlaß“soll liberale Auswüchse wie die Homo-Ehe verhindern  ■ Von Silke Mertins

Nicht nur weil er Romeo heißt, ist er Karl-Heinz Thieles große Liebe. „Wenn eine Beziehung trotz 12.000 Kilometer Entfernung über drei Jahre hält, dann weiß man einfach, daß man zusammengehört“, sagt der 47jährige Einzelhandelsangestellte über seine Bindung zu seinem philippinischen Freund Romeo Etom (36).

Die Freude über die im rot-grünen Koalitionsvertrag vereinbarte „Hamburger Ehe“, die gleichgeschlechtlichen Paaren erstmals offiziell die Möglichkeit bietet, ihre Beziehung über „Partnerschaftsverträge“abzusichern, war entsprechend groß. Kam Romeo mangels Alternative bisher mit einem Touristenvisum, das keine Verlängerung zuläßt, sollte der Zweck seines nächsten Besuchs deutlicher formuliert werden: Heirat.

„Visaantrag zur Führung einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft“heißen solche Fälle im Amtsdeutsch. Die Botschaften pflegten dem Antrag in der Regel zu entsprechen, wenn eine „Vorabzustimmung“der Ausländerbehörde vorlag. Mit dem „Kinkel-Erlaß“hat sich das geändert. Per „Runderlaß vom 28.08.97“sind alle Auslandsvertretungen „angewiesen“, ein Visum „nicht automatisch“zu erteilen. Die Fälle müssen ins Auswärtige Amt des FDP-Ministers Klaus Kinkel geschickt werden.

Die Überprüfung der Anträge geschieht nach Auskunft von Pressesprecher Walter Lindner nur zum Besten der binationalen Homo-Paare. „Es soll versucht werden, eine einheitliche Praxis zu entwickeln, um dann einheitliche Kriterien herauszukristallisieren.“Doch diese gibt es längst. Bei einem Prozeß vor dem Oberverwaltungsgericht Münster wurden sie unzweideutig beschrieben: „Der Prozeßbevollmächtigte des Auswärtigen Amtes nannte zum einen die Strafbarkeit von Homosexualität im Heimatland und zum anderen, daß die Beziehung schon in Deutschland geführt worden sein muß, als Kriterien“, so Rechtsanwalt Dirk Siegfried. „Eine feste Verankerung des Privatlebens“, heißt es in dem Schriftsatz, könne nur dann angenommen werden, „wenn die Partner bereits längere Zeit in Deutschland in gleichgeschlechtlicher Partnerschaft mit dem Ziel der Begründung ihres wirtschaftlichen und privaten Lebensmittelpunktes in Deutschland zusammengelebt haben.“Dem deutschen Partner sei zuzumuten, ins Ausland zu ziehen, sofern Homosexualität dort nicht verboten sei.

„Ich kann den Präsidenten der Philippinen doch nicht bitten, Homosexualität unter Strafe zu stellen“, greift Karl-Heinz Thiele sich an die Stirn. Er hat sich sogar schon an den Hamburger FDP-Bundestagsabgeordneten Rainer Funke, Staatssekretär im Bundesjustizministerium, gewandt. „Er sagte mir, Kinkel habe den Erlaß auf Druck von CDU-Innenminister Manfred Kanther verfaßt.“

Hamburgs schwule Bürgerschaftsabgeordnete sind über die Neuregelung empört. „Kinkel agiert offen gegen uns“, schimpft GALier Farid Müller. Lutz Kretschmann (SPD) fordert Kinkel auf, den Erlaß „umgehend zurückzunehmen und die in Hamburg gefundene Lösung nicht zu torpedieren“.

Am 13. Februar, einen Tag vor dem Valentinstag, werden Schwule und Lesben vor der FDP-Parteizentrale in Bonn demonstrieren. Infos: Hein & Fiete, 040/240333

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