Auf Du und Du mit dem „Legotarif“: Altersteilzeit kommt
■ IG Metall sucht Verhandlungen / Mercedes und STN mit Haustarif
Die IG Metall Küste hat die Hoffnung auf einen Altersteilzeit-Tarif nicht vollständig aufgegeben. Am kommenden Dienstag setzt sich die Tarifkommission erneut zusammen, um über die geplatzten Gespräche mit den Arbeitgebervertretern zu beraten. Wie berichtet, hatten sich die zwei Lager über drei wesentliche Punkte in dem vorgesehenen Altersteilzeit-Vertrag entzweit. Die Gewerkschaft will einen verbindlichen Anspruch auf das Modell ab dem 61. Lebensjahr, keine Eigenbeteiligung der ArbeiterInnen und eine Abfindung über drei Bruttolöhne bei einem vorzeitigen Ausscheiden aus dem Betrieb. All dies lehnt das Arbeitgeberlager ab.
Aus diesem Grund hatte die IG Metall zu Beginn der Woche Haustarife angekündigt. Davon will aber die Gewerkschaftszentrale in Frankfurt offiziell nichts wissen. „Wir bieten zwei flexible Varianten des Flächenvertrages an“, formuliert Sprecher Claus Eilrich. Demnach soll es einen Flächentarif nach dem Bausteinprinzip geben. Dabei können sich die Tarifparteien in den einzelnen Firmen ihren eigenen Vertrag stricken – den „Legotarif“. Variante zwei sieht einen allgemein gültigen Flächentarifvertrag vor, in dem Einzelpunkte – wie etwa die Alters-teilzeit – in Hausverträgen gelöst werden können. Dies favorisiert die IG Metall Bremen.
Bei Mercedes-Benz in Bremen wird eine solche Lösung zur Zeit erarbeitet. Eine entsprechende Betriebsvereinbarung steht nach Angaben des Betriebsratsvorsitzenden Udo Richter kurz vor der Unterzeichnung. Wichtig sei, daß ein übergeordneter Tarif als Basis vorhanden sei. Sonst wird die Altersteilzeitregelung in der Betriebsvereinbarung nicht von den Arbeitsämtern bezuschußt.
Bei Mercedes-Benz Bremen kämen 500 Beschäftigte für eine Altersteilzeitregelung in Frage. Das Modell gilt erst ab dem 55. Lebensjahr, sieht 85 Prozent Nettolohn bei halber Arbeitszeit vor. Zudem wird die Rente lediglich auf 95 Prozent herabgestuft. Die Betriebsvereinbarung muß noch von der Daimler-Spitze abgesegnet werden.
Bei STN Atlas Elektronik existiert bereits eine freiwillige Vereinbarung zur Altersteilzeit, die als Haustarif deklariert ist. Darunter fallen etwa 180 MitarbeiterInnen in den Werken Bremen und Hamburg. Das Modell ist im Zuge der Rationalisierungswelle, der 700 Arbeitsplätze zum Opfer gefallen sind, installiert worden. Ursprünglich sollten auch die älteren Angestellten entlassen werden. Dies konnte über den Altersteilzeit-Haustarif verhindert werden.
Bei STN erhalten die Angestellten für die halbe Arbeitszeit 82 Prozent der vorherigen Nettolöhne. Das entspricht dem wegweisenden Tarif-Abschluß in Baden-Württemberg nach einem Schiedsspruch vom vergangenen Jahr. Die Rentenregelung sieht 100 Prozent vor. Gesetzlich vorgeschrieben sind nur 90 Prozent. Dafür erhalten die ArbeiterInnen bei einem Ausscheiden aus dem Betrieb nur zwei Bruttogehälter als Abfindung. Zudem beträgt die Laufzeit des Modells mindestens drei und nicht, wie vorgeschrieben, zwei Jahre. Auch die verbindliche Regelung, ab dem 61. Lebensjahr in Altersteilzeit gehen zu dürfen, fehlt.
Der STN-Gesamtbetriebsrats-Vorsitzende Erik Merks hält das Altersteilzeitmodell für ausgesprochen sinnvoll. „Die Angestellten können ihre Arbeitszeit langsam auslaufen lassen. Und den Firmen geht das Know-how der älteren Arbeiter nicht auf einen Schlag verloren, jüngere können zudem besser eingearbeitet werden.“Seiner Meinung nach denken aber zur Zeit noch viel zu wenig Arbeitgeber über diese Vorteile des Alters-teilzeitmodells nach. „Im ersten Moment ist das Modell natürlich recht kostspielig. Aber auf die Dauer profitieren die Firmen davon enorm.“ Jens Tittmann
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