Kommentar: Die gute Tat
■ Kampagne für Zivilcourage: Alle machen mit, und niemand weiß warum
Die Polizeikampagne für Zivilcourage ist gut gemeint. Aber ist sie auch gut gemacht? Gegen Provokationen ist im Zweifelsfall nichts zu sagen, wenn sie ihren Zweck erfüllen. Aber was ist der Zweck? Was wollen die Macher der Aktionen uns, den lernbegierigen und hilfsbereiten BürgerInnen, sagen? Sollen wir eingreifen, indem wir mit der einen Hand den Gewalttäter in Schach halten, während wir mit der anderen über Handy den Notruf 110 wählen? Oder soll der eifrige, zivilcouragierte Bürger, der gerade kein Mobiltelefon griffbereit hat, erst einmal eine Telefonzelle suchen und das Opfer seinem Schicksal überlassen? Die Tips der „Check-Karte“lassen zuviele Fragen offen.
Vor allem setzt die Kampagne auf zu hohem Niveau an: Zivilcourage beginnt nicht erst dort, wo es um Gewaltverbrechen geht. Wer nicht den Mut aufbringt, sich im Alltag einzumischen, wenn etwa Frauen bedrängt, Ausländer angepöbelt oder alte Menschen eingeschüchtert werden, der wird auch bei physischen Auseinandersetzungen in die innere Emigration gehen. Es hätte sicher nicht geschadet, an die Diskussionen, die anläßlich der Gewalt gegen Minderheiten und gegen Frauen geführt wurden, anzuknüpfen.
Zivilcourage, da sollte sich niemand etwas vormachen, ist außerdem nie ohne ein Risiko zu haben. Dieses Risiko besser einschätzen zu lernen, wäre sicher der intelligentere Ansatz gewesen. Hier aber wird uns einerseits Feigheit vorgeführt und andererseits versichert, daß auch gefahrlos eingegriffen werden kann. Überzeugend ist das nicht.
Silke Mertins
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