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Eriwan geht zur Tagesordnung über

■ Opposition lobt Präsidentenrücktritt in Armenien als demokratischen Machtwechsel

Moskau (taz) – Der Rücktritt des armenischen Präsidenten Levon Ter-Petrosjan ist in der Hauptstadt des kleinen Kaukasusstaates Eriwan recht gelassen aufgenommen worden. Auch einen Tag nach dem vom Parlament erzwungenen freiwilligen Rückzug des ehemals gefeierten Dissidenten Petrosjan gingen die Händler in dem von wirtschaftlichen Schwierigkeiten arg gebeutelten Land ihren bescheidenen Geschäften nach. Demokratisch und ohne Gewalt, frohlockte die Opposition, sei der Machtwechsel gelaufen. Ein Sonderfall in einer Region, die politischen Zwist gewöhnlich durch Aufstände und Putsche kläre.

Ter-Petrosjan hatte am Dienstag seinen Rücktritt im Parlament eingereicht, nachdem 42 von 96 Abgeordneten der ihn stützenden Koalition in das gegnerische Lager übergelaufen waren. Sie vertreten in ihrer Mehrheit nationalistische Politiker und ehemalige Veteranen des Krieges in Nagorni Karabach. Vor zehn Jahren entbrannte zwischen den damaligen Sowjetrepubliken Armenien und Aserbaidschan ein blutiger Konflikt um die auf aserbaidschanischem Territorium gelegene Enklave. Eriwan reklamierte die Bergregion als sein historisch angestammtes Gebiet, das nicht zuletzt dadurch begründet wurde, daß dort weit mehr Armenier lebten als Aseris.

Seit 1994 herrscht Waffenstillstand, und Armenien hält ein Fünftel des ehemaligen aserbaidschanischen Staatsgebietes unter seiner Kontrolle. Ter-Petrosjan hatte seine politische Karriere im „Karabach-Komitee“ begonnen, das bereits zu Sowjetzeiten neben antikommunistischen Aktionen auch die Angliederung der Enklave zum vorrangigen Ziel erklärt hatte. Die Isolation Armeniens, zwischen der Türkei und dem turksprachigen Aserbaidschan, die verheerende wirtschaftliche Konsequenzen für Eriwan zeitigte, bewog Petrosjan in den letzten Jahren, einen etwas kompromißbereiteren Kurs zu fahren. Auch auf Druck einer US- amerikanisch-russisch-französischen Kommission, der Minsker Gruppe, stimmte das zurückgetretene Staatsoberhaupt einem Vermittlungsvorschlag zu, der die umstrittene Region im aserbaidschanischen Staatsverband beläßt, sie aber mit weitreichenden Autonomierechten ausstattet.

Im Gegenzug hoffte Petrosjan, am Öl- und Gasboom des Kaspischen Meeres partizipieren zu können. Bisher machen Transportwege einen Bogen um Armenien und nehmen erhebliche Umwege in Kauf.

Aserbaidschans Präsident Heidar Alijew äußerte sich unterdessen besorgt über die innenpolitische Entwicklung beim Nachbarn: „Ich betone nochmals, daß ich eine friedliche Lösung des Karabach- Problems wünsche.“ Auch Rußlands Präsident Boris Jelzin ließ gewisse Befürchtungen durchblicken. Es kämen neue Politiker, die brutal sein mögen, doch sollten sie nicht vergessen, daß Armenien zum geostrategischen Interessengebiet Rußlands gehöre.

Neuwahlen finden voraussichtlich am 16.März statt. Petrosjan teilte indes mit, er werde nicht noch einmal kandidieren. Dem amtierenden Premier Robert Kotscharjan, der den Rücktritt des Präsidenten aktiv betrieben hatte, werden keine großen Chancen bei Neuwahlen eingeräumt. Die Ära Petrosjan ist zu Ende. Kritik am inneren Führungsstil und undemokratischen Machenschaften des Präsidenten waren schon bei seiner Wiederwahl im Herbst 1996 laut geworden. Klaus-Helge Donath

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