piwik no script img

CDU-Schnittmuster für neue Wahlkreise

Bundestag beschloß Neugliederung der Wahlkreise ab dem Jahr 2002. Der einzige SPD-Wahlkreis in Bayern, München Mitte, wird gestrichen. SPD: Neue Kreise gereichen nur den Koalitionsparteien zum Vorteil  ■ Aus Bonn Markus Franz

Nach einer heftigen Auseinandersetzung zwischen Koalition und SPD hat gestern der Bundestag gegen die Stimmen der Opposition die Neugliederung der Wahlkreise ab dem Jahr 2002 beschlossen. Der innenpolitische Sprecher der SPD- Fraktion, Fritz-Rudolf Körper, warf der Koalition vor, „rücksichtslose Machtpolitik“ betrieben zu haben. Verlierer der Reform könnte beispielsweise der Fraktionschef der SPD, Rudolf Scharping, sein. Sein Wohnort Lahnstein in Rheinland-Pfalz soll zur Bundestagswahl 2002 nicht mehr dem Kreis Montabauer, sondern dem Kreis Koblenz zugeordnet werden. Dort hat Scharping schlechtere Wahlchancen.

Hintergrund der Reform ist die Selbstverpflichtung des Bundestages vom Herbst 1996, die Zahl der Abgeordneten von 656 auf 598 zu verringern. Weitere 16 Bundestagsabgeordnete sind per Überhangmandat in den Bundestag eingezogen. Damit sinkt auch die Zahl der Wahlkreise, aus denen als Direktkandidaten die Hälfte der Abgeordneten kommt, von 328 auf 299. Bislang wohnten in einem Wahlkreis rund 226.000 Wahlberechtigte. Künftig sollen es 250.000 sein.

Für Nordrhein-Westfalen bedeutet die Reform den größten Einschnitt. Hier soll sich die Zahl der Wahlkreise um sieben auf 64 verringern. Sachsen soll drei seiner 21 Wahlkreise abgeben. Die anderen ostdeutschen Bundesländer verlieren jeweils zwei Wahlkreise, alle anderen Bundesländer einen. Nach Schätzungen der SPD bedeutet die Reform, daß ein Drittel der Wahlkreise einen neuen Zuschnitt bekommt.

Fritz Rudolf Körper kritisierte, CDU und CSU hätten ihre parteipolitischen Interessen beim Zuschnitt der Wahlkreise zugrunde gelegt. „Ich werfe den Koalitionsfraktionen vor, daß sie ihre Mehrheit in diesem Hause dafür mißbrauchen, einen nach parteipolitischen Gesichtspunkten ausgerichteten Wahlkreiszuschnitt im Bundeswahlgesetz festzulegen.“

In Bayern und Baden-Württemberg seien Wahlkreise jeweils dort gestrichen worden, wo es SPD-Mehrheiten gegeben habe, so Körper. Die neugeschnittenen Wahlkreise seien so angefüttert worden, daß sie für die Koalitionsparteien sicher gewinnbar sind. In Bayern entfalle künftig ausgerechnet der einzige von der SPD gewonnene Wahlkreis München Mitte, empörte sich der SPD-Abgeordnete.

Der CDU-Abgeordnete Wolfgang Bosbach entgegnete, immerhin seien 90 Prozent der Entscheidungen unumstritten. Es habe nur 19 Änderungsanträge gegeben. Im übrigen sei keine Partei „frei von parteitaktischen Überlegungen“. Die Frage sei nur, ob sie die Hauptrolle gespielt hätten. „Und das war nicht der Fall.“

Ob die SPD über den Bundesrat ihre Änderungswünsche durchsetzen kann, war offen. Bisher hat der Bundesrat noch nie eine Neueinteilung blockiert.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen