■ Offenbacher Sparkommissar auf den Spuren des Alten Fritz: Salto rückwärts ins Beamtentum
Am Rande des Bankrotts schlittert die Stadt Offenbach seit Jahren entlang. Der Brachialreformer mit der Amtskette um den Hals, Gerhard Grandke, unternahm einiges an Grausamkeiten dagegen. Er drückte den Personalbestand um über die Hälfte und scheute dabei, wie die Offenbacher Bediensteten schimpfen, vor unsanften Methoden nicht zurück. Aber Grandke bekommt den Haushalt nicht in die Balance. Die Stadt nagt weiter am Hungertuch – trotz geschlossener Theater und Bäder, trotz Out-Sourcing städtischer Aufgaben in Eigenbetriebe und GmbHs.
Nun aber schlägt der Bürgermeister einen Salto rückwärts. Er will im großen Stil verbeamten. Rein rechnerisch hat Grandke sicher recht. 10 Millionen Mark jährlich weniger fürs Personal, weil Beamte kurzfristig billiger kommen als Angestellte. Da kann der Kämmerer Grandke sogar fünf Millionen für einen Pensionsfonds spendieren. Und das ist aber auch das einzig Progressive, das sich der Sozialdemokrat Grandke ans Revers heften kann. Als selbsternannter König der deutschen Verwaltungsreformer hat Grandke nun abgedankt. Er, der seine Stadt seit seinem Amtsantritt 1993 wie einen Konzern mit modernem Personal- und Finanzmanagement führen will, hätte dann 400 Staatsdiener mehr auf seiner Besoldungsliste. Das bedeutet fixierte Beförderungspfade, lebenslängliche Anstellung und die ganze vorsintflutliche Huberei mit Amtstiteln. Kurz: alles, was flexibles Personalmanagment oder die binnendemokratische Beteiligung der MitarbeiterInnen ausmacht, geht Grandke flöten. Dem Alten Fritz, der mit Bürokratie und unbedingter Staatstreue den – für damalige Verhältnisse – modernen Staat formte, mag das Genüge getan haben. Für eine Kommune an der Schwelle zum 21. Jahrhundert ist die Verbeamterei barer Unsinn.
Grandkes Maßnahme ist nur als Hilferuf zu verstehen. Die Kommunen sind, wegen der dauernden Aufgaben- und Lastenverschiebung von Waigel und Konsorten, im Wortsinne am Ende. Wenn ein Sparkommissar wie Gerhard Grandke den Konkurs nur noch durch Verbeamtung verschleppen kann, dann ist das ein Signal. In den Kommunen wird die Daseinsvorsorge betrieben, dort ist das Zuhause der BürgerInnen mit Kindergärten, Jugendeinrichtungen, städtischer Kultur und Bildung sowie dem Netz Sozialhilfe. Gehen dort die Lichter aus, kommt zur sozialen Entwurzelung durch Arbeitslosigkeit die kulturelle und politische hinzu. Dies dramatisch verdeutlicht zu haben ist Grandkes Verdienst. Christian Füller
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