Auf Du und Du mit dem Abschreibungsobjekt: Aussiedlerwohnheim zu verkaufen!
■ 20 Reihenhäuser kommen nach der Pleite des Investors unter den Hammer Leidtragend wären die Bewohner
Lukrative Reihenhäuser in geschäftiger Lage zu kaufen! Alter: Sieben Jahre. 130 qm auf drei Etagen für schlappe 175.000 Mark. Ernsthafte Angebote bitte an den Beirat Woltmershausen. Großfamilien und Heimwerker werden bevorzugt.
So oder ähnlich könnte dieser Tage eine Anzeige der Beiräte von Woltmershausen aussehen, wenn ihnen die 20 Reihenhäuser an der Woltmershauser Straße 538 gehörten. Die Häuser aber gehören zur Zeit dem Bremer Finanzsenator. Und dieser zögert noch.
Objekt der Verhandlung ist ein Übergangswohnheim für 107 Aussiedler und bosnische Kriegsflüchtlinge. Das Haus war 1990 mit Mitteln aus dem „Kredit für Wiederaufbau“(KfW) von dem Oyter Bauunternehmer Theißen gebaut und an die Stadt Bremen als Übergangswohnheim vermietet worden. Mit einem Zehnjahresvertrag. Die Bremische Gesellschaft für Wohnungsbau nahm die Immobile in ihre Verwaltung. Seitdem wohnen hier vor allem Aussiedlerfamilien. Diese haben Nutzungsverträge mit der Stadt Bremen. Und könnten – nach dem ersten Jahr – jederzeit rausgeklagt werden. Durch den Bankrott des Bauunternehmers fiel die Immobilie kürzlich an den Finanzsenator, der dafür zu 100 Prozent bürgt und der sein ungewolltes Anhängsel nebst der drohenden Zeche für die Ausfallbürgschaft schnell wieder loswerden möchte.
Aber nicht an irgendeinen Investor, der „mit wenig Geld da nochmal viel Kohle draus macht“, engagiert sich Monika Göbel, die SPD-Sprecherin im Beirat Woltmershausen. Denn langsam entwickelt sich das Objekt zu einer lukrativen Angelegenheit: Die erste Zwangsversteigerung in der vergangenen Woche verlief ergebnislos. Niemand wollte die gut drei Millionen Mark auf den Tisch packen, die als Mindestforderung des Finanzsenators dastanden. So wird es jetzt zu einem zweiten Termin kommen – mit einer Mindestforderung von 2.2 Millionen.
Nicht viel Geld für 20 Reihenhäuschen mit drei Stockwerken und 130 Quadratmetern Wohnfläche.Die Befürchtung des Beirats: Ein neuer Investor könnte die Häuser als Abschreibungsprojekt benutzen. Er könnte vom Senat für die noch verbleibenden vier Jahre, für die die Stadt das Haus gemietet hat, kassieren und es dann leerstehen lassen. „Oder“, so Ortsamtsleiter Klaus-Peter Fischer: „da kommt ein Spekulant und setzt in eine Eins-A-Lage geballt Leute mit sozialen Problemen.“
Ein Problem, das der grüne Beirat Holger Kühl so zwar nicht hat. „Solche Wohnprobleme hat die Stadt nicht, daß sie die Anmietung der Häuser verlängern muß“. Das Problem aber sei die Situation der Aussiedler, so der Beirat. Die seien mit ihren kurzzeitigen Nutzungsverträgen in einer blöden Situation und seien doch inzwischen halbwegs integriert in den Stadtteil. Soll das jetzt wegen des Bankrottes eines Bauunternehmers wieder kaputt gemacht werden?
Der Vorschlag: Der Finanzsenator verkauft die Häuser einzeln an die interessierte Bewohner zu einem Preis von rund 175.000 Mark. Die Kreditabzahlungen wären nach dem ersten Jahr auch nicht höher als die Nutzungsgebühren. Und die Fluktuation im Übergangswohnheim käme endlich zum Stillstand. Noch zögert der Finanzsenator. Monika Goebel: „Wir werden Überzeugungsarbeit leisten.“ ritz
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