Genuin öffentlich

■ Karlsruher Verfassungsgericht erlaubt Sportberichte für alle

Die Freiheit, heißt es, stirbt zentimeterweise. Im Fernsehzeitalter läßt sich der Vorgang eher in Sekunden messen. 90 Sekunden hat das Verfassungsgericht gestern für die Freiheit der Bürger belassen, sich zu informieren. Und es ist kein gutes Zeichen, daß diese 90 Sekunden als wichtiger Erfolg für die Freiheit gelten müssen.

Die Siege und Niederlagen in den Sportarenen waren von jeher genuin öffentliche Ereignisse: Siege, bei denen (fast) alle mitsiegten, Niederlagen, bei denen viele litten. Auch wer die Massenbegeisterung bei Fußballweltmeisterschaften skeptisch sieht, muß zugeben, daß die Spiele zu dem gehören, was das Volk bewegt, was die Gesellschaft vielleicht gar auch zusammenhält. Die Möglichkeit, bei Bertis Buben mitzufiebern, ist für die gesellschaftliche Kommunikation eben eminent wichtig, und sie kann von ähnlicher Bedeutung sein wie das Recht auf freie Rede. Das haben die Richter genau beschrieben. Die Spiele, hieß es früher mal, gehören allen.

Das ist vorbei. Was der Öffentlichkeit gehört und was sich Privateigentümer kaufen können, diese Sphären werden derzeit neu verteilt. So wie Bereiche des öffentlichen Straßenraums zu privat kontrollierten Passagen werden, zu denen nicht mehr jeder Zutritt hat, so wie öffentliche Sicherheit oder Gesundheit zu Waren werden, die sich kaufen kann, wer's kann, so schwindet derzeit auch der Raum der Informationsfreiheit. Fußball ist da nur der Anfang, weil sich's halt am meisten lohnt: Die Weltmeisterschaft könnte bald nur noch gegen Extrazahlung im Pay-TV zu haben sein, wenn die Träume der Konzerne Kirch und Bertelsmann wahr werden. Andere Ereignisse gibt es in den Zeiten der Exklusivrechte nur noch aus einer Quelle. Und der Sender, dem das Ereignis gehört, kann daraus machen, was für seine Einnahmen das beste ist. Information, sagt jetzt aber das Verfassungsgericht, darf nicht monopolisiert werden. Es drohe „uniforme Information“, warnt es, und die „würde die Meinungsfreiheit einschränken“. Die öffentlichen Dinge, sagen die Richter, müssen allen zugänglich sein. Doch für diese Grundfreiheiten, die die Richter so betonen, ist verdammt wenig Raum geblieben. Genau 90 Sekunden konnten sie gestern retten – und die nur unter bestimmten Umständen. Es ist ein Verteidigungskampf, der um die Freiheit geführt wird, und es ist ein kleiner Sieg. Lutz Meier