Robert De Niro spielt mit Bravour Robert De Niro

■ Der unerreichbare Hollywood-Star war in Berlin. Sein Auftritt erfüllte die Funktion, das Fernbleiben berühmter Regisseure wie Quentin Tarantino oder Barry Levinson zu kompensieren

Erstens müssen Stars unerreichbar sein wie Sterne und zweitens zum Kuscheln nah wie Teddybären. Das gehört zu den Paradoxien des Kults um Personen. Noch bizarrer wird es, wenn man bedenkt, daß Journalisten die Stars stellvertretend persönlich treffen; für alle anderen ist es doch wieder nur ein Bild in der Zeitung oder eine Nachricht im Fernsehen – und trotzdem waren die Stars irgendwie da. Das langweilige Berliner Hotel Interconti mit seinem „Saal Charlottenburg“ im Cinemascopeformat: Hier also erscheint Robert De Niro. Das Haar kurz, in einfacher, gewählter Kleidung, ein kleiner Schnitt auf der linken Wange. Er ist ein Meister im Auffangen von Blicken und im Ausplätschernlassen des Kommentars.

Was ein Kollege die „feige Journalistenmeute“ nennt, das ist sie, im 300er-Pack. Eine französische Journalistin, die ihn ohne Unterstellung oder Arroganz nach den Vorfällen in Paris fragt, erntet ein großes Murren. Aber De Niro hat auf die Frage nur gewartet und stellt mit einer Sekundengeste die Öffentlichkeit, die die Journalisten unterdrücken wollten, wieder her. Er beschreibt den Auftritt eines Richters in Begleitung von acht Polizisten in seinem Hotelzimmer. Und er streicht heraus, daß man ihn – als Zeugen – spektakulär vorlud, weil man sich an Wichtigkeiten „aus ölproduzierenden Ländern“ nicht herangewagt habe.

Damit spricht er etwas Heikles aus: daß der Körper des Stars sein eigentliches Kapital ist. Die Sache wird gänzlich transparent, als er die rührende Frage, ob ihn irgend eine seiner Filmrollen auf diese Situation vorbereitet habe, glaubwürdig verneint. Die Hälfte der Journalisten glaubt, diese Dreiviertelstunde sei Teil seines Lebens. Die andere begreift, daß er den De Niro spielt. Mit Bravour.

De Niro war in drei Wettbewerbsfilmen zu sehen, davon zweimal in Nebenrollen. Tatsächlich erfüllt sein Auftritt die Funktion, das Fernbleiben der Regisseure Quentin Tarantino („Jackie Brown“) und Barry Levinson zu kompensieren. Da er auch noch Mitproduzent der intelligenten Präsidentensatire „Wag the dog“ ist, sieht es plötzlich so aus, als habe De Niro das zeitgenössische Kino neu erfunden. Souverän nimmt er Bill Clinton in Schutz: „Also bitte, so groß ist seine Verfehlung ja nun nicht gewesen.“

Eine Frage, die gänzlich harmlos klingt, führt ihn aufs Glatteis. Es heiße, er möge die Festivals. Ja, sagt De Niro, gewiß, und das wichtigste sei natürlich Cannes. „Wag the dog“, in dem De Niro den intriganten Wahlkampfstrategen Conrad Brean gibt, wurde mit dem Spezialpreis der Jury belohnt. Oder anders gesagt, der Schauspieler Robert De Niro wurde durch das Ausbleiben einer direkten Ehrung sanft abgestraft. Ulf Erdmann Ziegler, Berlin