Nachgefragt: Stadtwerke-Streß
■ Interview mit Gesamtbetriebsrats-Chef
Bis zu 500 Entlassungen hat Stadtwerke-Vorstand Gerhard Jochum am Wochenende angekündigt. Der Grund soll die Liberalisierunghh des Strommarktes Anfang 1999 sein. Die taz sprach darüber mit dem Stadtwerke-Gesamtbetriebsratsvorsitzenden Richard Harbort.
taz: Herr Harbort, haben sie 500 Mitarbeiter zuviel?
Richard Harbort, Gesamtbetriebsratsvorsitzender: Der kommende Wettbewerb durch die Liberalisierung des Strommarktes muß nicht zu Personalabbau führen. Das kann man intelligenter lösen, indem man Absatzgebiete ausweitet, sich mit neuen Geschäftsfeldern intensiv beschäftigt und alle Möglichkeiten nutzt, am Markt zu operieren. Damit geht der Ansatz, Personal abzubauen, in die völlig falsche Richtung.
Aber der Vorstand erschließt bereits neue Geschäftsfelder.
Der Vorstand reagiert überzogen. Alle Mitarbeiter sind soweit qualifiziert und engagiert, daß sie zusätzlich zu den jetzigen Aufgaben auch neue Betätigungen übernehmen können. Statt Personal abzubauen, sollten besser arbeitsplatzsichernde Maßnahmen für die Zukunft des Unternehmens eingeführt werden – wenn nicht sogar neue Beschäftigte eingestellt werden müssen. Neue Geschäftsfelder erschließen und Personal abbauen trage ich nicht mit.
Jochum sieht offensichtlich ein großes Problem mit den Stahlwerken als Strom-Abnehmer des Hafenkraftwerkes. Ist dieses Geschäft – Strom gegen Gichtgas – schon gescheitert?
Sicher ist eins: Die Stadtwerke haben die Stahlhütte immer zuverläßlich mit Strom versorgt und das anfallende Gichtgas verstromt. Wir werden dies auch künftig tun können – auch in einem verschärften Wettbewerb. Darum bin ich ein überrascht über das angebliche Kooperations-Ende. Ich glaube das nicht.
Warum stellt Jochum das Kraftwerk Hafen in Frage?
Das weiß ich auch nicht. Beide Kraftwerksblöcke können Fernwärme auskoppeln. Zudem ist das Werk mit 450 Megawatt von seiner Kostenstruktur her eins der optimalsten, was wir haben. Sicher – der Block fünf ist bereits 1968 gebaut worden. Er wurde aber auch ständig modernisiert. Ich fordere, dieses Kraftwerk weiter am Netz zu halten.
Sollen angesichts des Wettbewerbs weitere Stadtwerke-Anteile verkauft werden?
Ein Verkauf nur um Geld in die Kasse zu bekommen, kommt für micht nicht in Frage. Sinnvoller fände ich Überkreuzbeteiligungen mit anderen Unternehmen, um sich gegenseitig zu stärken. Nur so können wir Arbeitsplätze sichern.
Vor diesen künftigen Veränderungen ist ein starker Betriebsrat wichtig. Zur Zeit gibt es drei Betriebsräte, die Geschäftsführung wünscht sich einen einzelnen. Wie ist der aktuelle Termin vor dem Landesarbeitsgericht ausgegangen?
Die Geschäftsführung hat ihre Klage vor dem Arbeitsgericht zurückgezogen. Sie mußte einsehen, daß die Stadtwerke mit ihren Tochterfirmen und ausgegliederten Elementen nicht mehr als ein Betrieb zu sehen ist. Darum bleibt es bei drei Gremien mit einem übergeordneten Gesamtbetriebsrat. So können sich die Leute spezieller um ihre Fachbereiche kümmern. Fragen: Jens Tittmann
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