: Hochgelobter wird zum Sündenbock
■ Der Chef des Mossad, Danny Jatom, tritt ab. Sein vorzeitiger Abgang rückt den ohnehin berüchtigten Geheimdienst erneut in schlechtes Licht
Jerusalem (taz) – Überraschend ist der Rücktritt des Mossad-Chefs Danny Jatom nicht. Überraschend aber ist der Zeitpunkt. Erwartet worden war, daß Jatom mindestens bis zum Sommer im Amt bleiben würde, wenn turnusgemäß der Mossad-Chef bestätigt oder ein anderer ernannt wird. Jatom entschied sich für einen frühzeitigen Rückzug, weil er seiner Auffassung nach die Unterstützung des Ministerpräsidenten Benjamin Nethanjahu verloren hatte und auch in den eigenen Reihen zunehmend ungelittener wurde.
Doch der Chef des Meretz- Blocks, Yossi Sarid, einer der drei Abgeordneten, die im parlamentarischen Überwachungsausschuß des Geheimdienstes sitzen, sagte im israelischen Radio, der Rücktritt Jatoms habe nichts mit einer internen Rebellion im Mossad gegen Jatom zu tun. Gleichwohl berichteten mehrere israelische Zeitungen gestern, daß sich hohe Mitarbeiter des Geheimdienstes, die generell nur unter Alias-Namen zitiert werden, geweigert hätten, mit Jatom auch weiterhin zusammenzuarbeiten.
Das Chiehanover-Komitee, das auf Geheiß des Ministerpräsidenten den fehlgeschlagenen Mordanschlag auf den Hamas-Führer Chalid Maschaal am 25. September vergangenen Jahres in der jordanischen Hauptstadt Amman untersucht hatte, war jedoch zu dem Schluß gekommen, daß Planung, Durchführung und Vorbereitung des Attentats mangelhaft waren. Die Verantwortung dafür wurde Jatom zugeschoben. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, der den Mordanschlag persönlich gebilligt hatte, wurde von jeder Verantwortung für den Fehlschlag freigesprochen. Nur ein Mitglied des Chienanover-Komitees und eben Yossi Sarid hatten daraufhin den Rücktritt des Mossad-Chefs gefordert.
Der Rücktritt von Jatom, der nur 21 Monate im Amt war, stellt einen herben Rückschlag für den berüchtigten israelischen Auslandsgeheimdienst dar. Die Maschaal-Affäre war neben der irrtümlichen Ermordung eines marokkanischen Kellners in den 70er Jahren, den der Mossad mit dem Chef des palästinensischen Geheimdienstes Abu Hassan Salameh verwechselte, der bislang größte Fehlschlag des Mossad. Gefordert wurde der Rücktritt Jatoms auch von König Hussein von Jordanien, der nach dem versuchten Attentat die Sicherheitskooperation mit Israel eingestellt hatte. Das auch deshalb, weil Jatom nur wenige Tage vor dem Attentat auf Maschaal den König persönlich aufgesucht hatte, ohne ihn jedoch über den geplanten Mordanschlag zu informieren.
Im Büro des israelischen Ministerpräsidenten hatte man nicht vergessen, daß Jatom noch unter der Regierung von Schimon Peres kurz vor der Parlamentswahl im Mai 1996 ernannt worden war. Obwohl Netanjahu den Mossad-Chef offiziell deckte, gab es in seinem Büro zahlreiche Stimmen, die dessen sofortige Ablösung für unausweichlich hielten. Selbst Sarid erklärte nach der Untersuchung der Maschaal-Affäre, daß Jatom keine andere Wahl habe, als von seinem Amt zurückzutreten. „Er hat das Richtige getan und verdient dafür Respekt“, sagte Sarid im israelischen Rundfunk zum Rücktritt des Geheimdienstchefs.
Jatom war kein Insider, der sich im Mossad hochgedient hatte. Er kam als General der Armee zu diesem Job. Ministerpräsident Jitzhak Rabin hatte ihn zweimal zu seinem Sicherheitsberater gemacht. Peres ernannte ihn dann zum Mossad- Chef. Die militärische Karriere Jatoms wurde von Abgeordneten der Likud- und der Arbeitspartei in der Knesset hochgelobt. Insbesondere sei es ihm zur Zeit der Intifada gelungen, zahlreiche „palästinensische Terroristen“ dingfest zu machen.
Ins Kraut schießen jetzt die Spekulationen über den möglichen Nachfolger Jatoms. An erster Stelle gennannt wird der Botschafter bei der EU in Brüssel, Ephraim Halevy, der bereits einmal stellvertrender Mossad-Chef unter Jatoms Vorgänger, Shabtai Shavit, war. Halevy hat gegenüber anderen Kandidaten den wichtigen Vorteil, daß er eine gewisse Nähe zu König Hussein für sich beanspruchen kann. Der Regierung Netanjahu dürfte in der Tat daran gelegen sein, die Sicherheitskooperation mit Jordanien in vollem Umfang wiederherzustellen. Georg Baltissen
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen