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Durchs DröhnlandTherapie von Harmonie-Allergien

■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Das große Schaben zelebrieren Zabloudil noch ein letztes Mal. Danach ist alles verwüstet, was noch an Strukturen hörbar gewesen sein könnte. Das tschechische Trio tobt im Stakkato durch jede denkbare Noise-Variante, ohne jemals wirklich laut zu werden oder gar die Kontrolle zu verlieren. Hier freakt niemand aus, hier wird seziert, und nachher muß das Besteck desinfiziert werden. Wer in letzter Zeit eine Harmonie-Allergie entwickelt hat, dürfte mit diesen Kakophonien geheilt werden. Für den Rest ist es ein großes, kratziges Etwas, das man sich das nächste Mal besser nicht mehr einlädt.

27.2., 22 Uhr, Tacheles, Oranienburger Straße 53–56, Mitte

Weil den Dreadful Shadows keiner den Titelwunsch ihrer letzten Platte „Buried Again“ erfüllt hat, können sie sich bis heute nicht entscheiden, ob sie nun einen auf düster machen wollen oder lieben Heavy Metal spielen sollen. Auf dieser Unentschiedenheit begründeten die Sisters of Mercy zwar einen nicht unwesentlichen Erfolg, aber insgesamt dürfte das Marktsegment zu klein sein, um auch noch unser Quartett aus Pankow verkraften zu können.

27.2., 21.30 Uhr, Kulturbrauerei, Knaackstraße 97, Prenzlauer Berg

Weil Meret Becker als Schauspielerin immer nur ein und dasselbe Gesicht machen kann und höchstwahrscheinlich demnächst deshalb die Rollen ausgehen, ist es wahrscheinlich keine so schlechte Idee, nach dem Gastspiel bei den Einstürzenden Neubauten die musikalischen Ambitionen weiter auszubauen. Zusammen mit Nina Hagen, mit der sie zumindest eine kultivierte Hysterie verbindet, wagt sie sich im Programm „Wir heißen beide Anna“ an den Mann, der dieses Jahr 100 Jahre alt geworden wäre. In der begleitenden Kapelle schwingt Neubau Alex Hacke seine Gitarre.

28.2., 20 Uhr, Berliner Ensemble, Bertolt-Brecht-Platz 101, Mitte

Wenn es irgendwas gibt, was hoffnungslos out ist in diesen Zeiten allgegenwärtiger Eleganz und modebewußter Schönheit um einen rum, dann ist es Trash und Rock 'n' Roll. Was die Liebhaber von schmutzigen Gitarren, schmutzigen Songs und schmutziger Phantasie nicht davon abhält, weiter fröhlich Musik zu machen. So auch die Dirtys, die aus Detroit stammen, mithin der historischen Hauptstadt der ganzen Chose, weil sie MC 5 und die Stooges, die allseitig verehrten Großväter der Bewegung, hervorgebracht hat. Die Philosophie ist einfach gestrickt und wird im Song mit dem nicht ganz unprogrammatischen Titel „Rock It Out Tonite!“ ausformuliert: „When I want to hear some Rock 'n' Roll music / It kinda makes me feel good / Well alright“. Well, zum Gutfühlen braucht dieses Quartett ein gehöriges Maß Geschwindigkeit und vor allem einen Haufen durchgebrannter Verstärker.

Konsequenterweise nehmen sie analog und auf nur acht Spuren auf. Auch textlich befinden wir uns noch in der Steinzeit, wobei nie so ganz zu entscheiden ist, ob die Klischees von den Chicks und Babys nun ironisch oder doch frauenfeindlich sind. Den rheinischen Parallelentwurf haben die Cellophane Suckers im Angebot. Auf ihrer Single prangt der wenig dezente Hinweis „Punk Rock!“ fast wie eine Warnung, innen drin geht es dann vor allem nach vorn ohne Rücksicht auf Verluste. Diese Mentalität hat sie schon ins Vorprogramm einiger illustrer Namen geführt, wo sie dann diesen böse grummelnden Gitarrensound aufgeführt haben, den mal die Cramps perfektioniert haben und der komischerweise ja auch 20 Jahre später tief im Bauch dann doch wieder bestens funktioniert. Ewiggestrig kann eben auch ganz schön sein.

1.3., 21 Uhr, Roter Salon der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, Mitte

Think About Mutation gehen jetzt mit der Geschichte hausieren, sie höchstselbst haben da unten im Leipziger Stadtteil Connewitz auch schon einige Jährchen an der Fusion elektronischer Klangerzeugung und harter Rockmusik gefrickelt. Nicht daß sie behaupten, die Chemical Brothers oder Prodigy hätten von ihnen abgekupfert, aber, ja, irgendwie doch schon... Und tatsächlich ist da auch was dran, hat das Sextett doch bereits zu Beginn der 90er ihren Metal mit dem einen oder anderen elektronischen Gimmick angereichert, auch wenn das damals, als von Big Beats noch keine Rede war, nicht unbedingt als Quantensprung wahrgenommen wurde.

Think About Mutation galten da eher noch als eine Industrial- Band, die dem grauen Osten noch die allerdüstersten Seiten abzugewinnen in der Lage ist. Nach dem Wechsel zum Major-Label haben Think About Mutation den Einsatz der Rockgitarren zwar beschränkt, aber ihre Intensität dafür gesteigert. Den Platz hinter den mächtig knallenden Riffs füllen sie nun mit noch mehr Sequenzergeknatter als zuvor, auf daß die Technotiker von Brettern träumen und sich auch die Rockisten mächtig freuen. Manchmal allerdings hören sie sich in ihrer nicht allzu unfreundlichen Düsterkeit fast an wie eine etwas zeitgemäßere Version von Soft Cell und ähnlichen Synthie-Versuchen der 80er.

5.3., 21 Uhr, Knaack, Greifswalder Straße 224, Prenzlauer Berg Thomas Winkler

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