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Strapaze auf einem Ski liegt voll im Trend

■ „Skwal“, eine Weiterentwicklung des Snowboards, bringt Skilehrer und Anfänger im Montafon zum Schwitzen, und das Krankenhaus Maria Rast hält sich mit 54 Pflegebetten bereit

Hochmut kommt vor dem Fall. Die alte Weisheit setzt ohne vorherige Warnung ein. Zwei, drei Stunden Unterricht hatte ich von Paul Romagna, dem Leiter der Skischule auf der Bergstation der Hochjochseilbahn erbeten, dann den Nachmittag mit dem neuen Sportgerät allein zur Verfügung, dann könnten wir ja weitersehen. Jetzt, nach gerade einmal einer Stunde, zwischen Berg- und Mittelstation, bin ich fix und fertig, bereit aufzugeben. „Aggressives Carving“ hatte Paul versprochen, bei mir hat es bisher nur zu aggressivem Schneekontakt gereicht. „Skawlen“ wollte ich lernen, jetzt sehne ich mich nach meinen alten Brettern zurück.

„Skwal“, das ist die Neuheit des Winters. Der Name kommt wie die Erfindung des Sportgerätes aus Frankreich. Gefahren wird auf einem breiten Ski mit hintereinander fixierten Bindungen. „Skwal“, das ist ein französischer Phantasiename, zusammengesetzt aus Ski und Hai (Squale). Entwickelt wurde das neue Brett vor rund sechs Jahren von Thias Balmain, einem Skilehrer und erfolgreichen Monoski- und Snowboardfahrer. Schmaler als ein Snowboard und doch breiter als ein normaler Ski unterscheidet sich Skwalen vor allem durch die Position des Läufers, der mit den Füßen hintereinander in Fahrtrichtung steht.

Das Körpergewicht auf den vorderen Fuß verlagern, hat mir Gabi, die Skilehrerin, eingebleut. Die Schulter über das vordere Knie, das hintere Knie in die vordere Kniekehle, dann das hintere Bein durchdrücken und den Oberkörper in Richtung der Kurve drehen – was ein Schwung werden soll, endet wieder einmal mit direktem Schneekontakt.

Unten im Tal, im österreichischen Schruns, sorgen sich Ärzte und Pfleger um den Erhalt das Krankenhauses Maria Rast mit seinen 54 Pflegebetten. Ich fange an, mir Sorgen wegen zahlreicher blauer Flecken zu machen.

Drei Typen von „Skwals“ hat das französische Ski-As Thias Balmain bislang seit 1992 auf den Markt gebracht. Den mit 1,65 Meter vergleichsweisen kurzen „Easy Jungle“, der für Anfänger und Einsteiger gedacht ist. Mit dem „Panther“ folgt ein Allround-Skwal, der sich aufgrund seiner großen Auflagefläche ausgezeichnet zum Tiefschneefahren eignen soll. Den wahren Könnern vorbe-, und mir wohl auf immer vorenthalten, bleibt der „Guepard“: das Brett ist mit etwas über 1,80 Meter deutlich länger und mit knapp 12 cm deutlich schmaler und taillierter als die anderen Modelle konstruiert. In Frankreich und in Teilen der französisch sprechenden Schweiz werden mit diesem Brett bereits alpine Wettbewerbe bestritten. In Österreich ist in Schruns im Montafon der neue Ski erst in dieser Saison eingeführt worden.

Das neue Sportangebot wendet sich an die Zielgruppe der besseren Snowboarder und Skiläufer. An Sportler, die gerne mal was Neues ausprobieren wollen. Skwalen hat von beidem etwas: Die Körperrotation kommt vom Snowboardfahren, der Druck auf die Innenseite der Füße beim Kanten vom Skilaufen. Skwalen, da ist sich Paul Romagna sicher, wird in den nächsten Jahre dennoch erst einmal „ein Nischenprodukt“ bleiben.

Wie überall in den Alpen dominieren auch im Montafon als neuere Wintersportarten vor allem Snowboards und Carving-Ski. An guten Tagen rutscht jeder fünfte am Berg per Schneebrett, und wer den traditionellen Ski leid ist, kratzt seit einer Saison auf extrem taillierten Carving-Skiern in engen Kurven zu Tal. Skwal ist bisher einer Minderheit vorbehalten. Der Haifisch unter den Brettern ist schon deshalb kein Massenprodukt, weil die Industrie das neue Brett noch nicht entdeckt und entsprechend keine Produktionskapazitäten aufgebaut hat.

Als Mangel wird das im Montafon nicht begriffen. Skwal ist nur eine der neuen „Spaßsportarten“, nur einer der neuen Trends, auf die sich die Region zur rechten Zeit eingestellt hat. Die althergebrachte Skischule ist tot, die Entwicklung geht eindeutig in Richtung „Lustig, Fun, Freude haben“. Das sagt der Montafoner Tourismusdirektor Arno Fricke. Zwar hat auch er noch auf keinem Skwalbrett gestanden. Die neuen Techniken aber, sagt er, haben den „Skisport plötzlich wieder interessant gemacht“. Mit Schneeschuhlaufen, Carving und jetzt auch Skwalen hat der Wintersport ein „neues Thema“ bekommen, und die Übernachtungszahlen im Montafon geben ihm recht. Um knapp neun Prozent hat die Anzahl der Gäste im November und Dezember im Vergleich zum Vorjahr zugelegt. Auf jeden der 18.850 Einheimischen in den elf Ortschaften des Tales kommt in der Saison pro Tag statistisch ein Besucher.

Gabi, die Skilehrerin, wartet geduldig, bis ich mich mit Hilfe meiner Skistöcke aufgerichtet habe. Stöcke sind beim Skwalen eigentlich nicht vorgesehen. Sie dienen nur Anfängern wie mir als Unterstützung, um das Gleichgewicht zu halten. Doch es hilft alles nichts: Die Stürze in den Schnee häufen sich.

Nach der Hälfte der Piste klappen die Linksschwünge schon ganz ordentlich, doch die nach rechts wollen einfach nicht zustande kommen. Gabi tröstet, sagt, das gehe allen so, daß der Schwung in eine Richtung in aller Regel leichter fällt als der in die andere. Selbst Skilehrern falle am Anfang die Umstellung auf Skwalen nicht ganz leicht. Ich hör's gerne, den pädagogischen Unterton will ich gar nicht erst wahrnehmen. Und siehe da, im flachen Gelände gelingen auf einmal mehrere Schwünge hintereinander. Für einen Moment stellt sich das Gefühl einer harmonischen Bewegung ein. So muß es sein, wenn man das Brett bedienen kann und nicht vom ihm beherrscht wird. Doch dann schon wieder Schneekontakt.

Die Mittelstation ist nun nicht mehr weit – ein kleiner Sieg, wenn auch teuer erkauft. Mit der Seilbahn auf die Bergstation, das nehme ich mir vor, und das neue Brett gegen ganz ordinäre Skier tauschen. Skwalen? Vielleicht morgen wieder. Wolfgang Gast

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