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Ausländer und Roma als Sündenböcke

Der Mord an dem Pressezaren Fenyö hat in Ungarn eine Debatte über öffentliche Sicherheit entfacht. Drei Monate vor den Wahlen tut sich besonders Regierungschef Horn mit rassistischen Parolen hervor  ■ Aus Budapest Keno Verseck

„Was wir heute in Ungarn haben, ist keine öffentliche Sicherheit.“ Mit diesen Worten nahm Ungarns sozialistischer Regierungschef Gyula Horn Mitte Februar Stellung zum Mord an dem Pressezaren Janos Fenyö. Ähnlich schwerwiegende Worte gebrauchten auch alle anderen Politiker Ungarns. Seitdem Fenyö, Besitzer von zahlreichen Zeitungen, Zeitschriften und Magazinen, an einer Ampelkreuzung offenbar von Profikillern erschossen worden war, rangiert das Thema öffentliche Sicherheit bei Politikern und in den Medien ganz oben.

Denn brutale Raubmorde, Abrechnungen zwischen Mafia-Banden und andere schwere Straftaten häufen sich vor allem auf den Straßen der ungarischen Hauptstadt Budapest. So etwa waren dem Mord an Janos Fenyö nur Tage vorher zwei Morde an namenlosen Budapester Kleinladenbesitzern vorausgegangen.

Es bedurfte allerdings erst der Prominenz des Medienzaren, um die ungarische Öffentlichkeit gründlich zu schockieren: Dem Anwachsen der Kriminalität in den letzten Jahren steht die Polizei weitgehend machtlos gegenüber, und im Falle vieler Gewaltverbrechen tappt sie im dunkeln. So auch im Fall Fenyö: Ungarischen Medien zufolge hat die Polizei im Zuge der seit zwei Wochen auf Hochtouren laufenden Untersuchungen und Großfahndungen am Donnerstag einen Kosovo-Albaner festgenommen, der verdächtigt wird, den Mörder von Fenyö zum Tatort gefahren zu haben. Die ungarische Polizei dementierte gestern jedoch, daß der Betreffende im Zusammenhang mit dem Fenyö-Mord verhaftet worden sei. Bisher sind noch nicht einmal die möglichen Motive für den Mord an Fenyö genau geklärt.

Die Debatte um die öffentliche Sicherheit in Ungarn wird andererseits auch deshalb um so heftiger geführt, weil die inoffizielle Kampagne für die Parlamentswahlen am 10. Mai längst im Gange ist. Der Regierungschef Horn höchstselbst heizte das Thema mit populistischen Äußerungen an. Ausländer würden 80 Prozent aller Raubüberfälle und Morde begehen, so Horn. Doch Ungarn dürfe keine Durchgangsstation für ausländische Verbrecher werden. Europa erwarte, daß Ungarn sich dem Schengen-Abkommen anpasse.

Ohne daß der ungarische Regierungschef die Namen der betreffenden Länder erwähnte, ist klar, daß es sich dabei um die Ukraine, Rumänien und Restjugoslawien handeln würde. Während einer dringenden Parlamentsdebatte zum Thema öffentliche Sicherheit kurz nach dem Fenyö-Mord teilte der Regierungschef mit, daß die Kontrollen an den Grenzen zu den betreffenden Ländern wesentlich verschärft würden. Er forderte außerdem für sein Amt größere Kompetenzen bei der Koordinierung der Verbrechensvorbeugung.

Die Äußerungen Horns lösten eine weitere Kontroverse in der ohnehin nicht einigen sozialistisch- liberalen Koalition aus, zielten sie doch unter anderem auch gegen den Innenminister Gabor Kuncze, der Chef der kleineren Koalitionspartei ist, dem liberalen Bund Freier Demokraten.

Gabor Kuncze verteidigte daraufhin die ungarische Polizei und präsentierte Statistiken, die den Äußerungen des Regierungschefs widersprechen: So liegt etwa der Anteil ausländischer Straftäter an allen Straftaten unter vier Prozent. Auch bei den von Gyula Horn genannten Kategorien ist die Zahl von 80 Prozent Phantasie. Ausländer haben im letzten Jahr nur 2,5 Prozent aller Morde begangen und nur 4,4 Prozent der Raubüberfälle.

Oppositionspolitiker erhoben gegen den ungarischen Regierungschef schwere Anschuldigungen. Wenn Horn sage, daß es keine öffentliche Sicherheit gebe, müsse er zurücktreten, meinte etwa der ehemalige Innenminister Imre Konya, der der national-konservativen Ungarischen Demokratischen Volkspartei angehört. Er warf Gyula Horn außerdem vor, daß seine Äußerungen ausländerfeindlich seien und zum Fremdenhaß beitragen könnten. Horn war schon in den letzten Wochen mehrfach mit fremdenfeindlichen Äußerungen an die Öffentlichkeit getreten, die sich vor allem gegen Roma richteten.

Inzwischen ist das Thema des Visumzwangs für Bürger Exjugoslawiens, Rumäniens und der Ukraine zwar vorerst vom Tisch, denn die Außenministerien der jeweiligen Länder haben gegen einen solchen Schritt protestiert. Die Grenzkontrollen sind allerdings spürbar verschärft worden.

Auch im öffentlichen Leben macht sich der Schock des Fenyö- Mordes bemerkbar: So patrouillieren auf den Straßen von Budapest deutlich mehr Polizisten, darunter vor allem auf Bahnhöfen, U-Bahn- Stationen und vor öffentlichen Institutionen, letzteres, weil sich inzwischen auch Manager und Banker über die mangelnde Sicherheit beschwert haben und Ungarns Rolle als regionales Wirtschafts- und Finanzzentrum gefährdet sehen. Die Regierung und das Innenministerium wollen demnächst ein Programm zur Verbesserung der öffentlichen Sicherheit und zur Stärkung der Organe der inneren Sicherheit erarbeiten.

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