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■ Zur EinkehrBeim Umzug

Viele von uns Deutschen haben Pech gehabt mit ihrer Sozialisation. Seitdem der mütterliche Satz „Aber vorher die Hände waschen“über die zarten Kinderohren kam, können wir nur noch glücklich sein nach vorhergehender Selbstüberwindung. Spaß? Nur als Lohn der Arbeit. Deshalb hüpfen wir dem Squashball hinterher, bevor wir in der Sauna entspannen, quälen uns durch ganze Mozartoboenkonzerte nur für das kleine Häufchen rote Grütze in der Pause, und nur deshalb – das muß mal gesagt werden – arbeiten wir acht Stunden vor den ersehnten Feierabendbieren. Vermutlich scheitert die Kürzung der Wochenarbeitstunden aus der unterbewußten Angst, bei Absenken der Qualquote direkt proportional auch die Entschädigung, also den arbeitstagabschließenden Bierkonsum, kürzen zu müssen. Da wird auch kein Gerhard Schröder helfen können.

Wegen dieses Umstand, helfen uns Restaurant-tips nur wenig weiter bei der Steigerung unserer Eßgenüsse. Vielmehr als Hasenohren in Pfirsichsoße oder Trüffelbröckchen in Haifischsuppe könnte uns eine Optimierung der eßbegleitenden Situation nützen. Und da gilt: Am meisten Freude macht die Nahrungsaufnahme nach einer körperlichen Schufterei. Der Höhepunkt von all dem: die Umzugspizza. Als taz-LeserIn kennen Sie das Aroma, wenn sich die letzten Dünste des Tapetenkleisters mit dem Salamibelag der Pizza vereinigen; Sie kennen das Gefühl, wenn der zitternde Arm, in dem sich bereits der Muskelkater des nächsten Tages ankündigt, ein Pizzadreieck über den Farbkübel geschickt hinwegbugsiert. Und endlich läßt sich der runde Genuß aus dem Steinofen ganz zwanglos und unkompliziert in der angemessenen steinzeitlichen Form konsumieren: Im Schneidersitz auf dem Boden mit schmutzigen Fingern.

Aus all diesen Gründen lohnt es sich, neue Ernährungsstrategien einzuschlagen. Anstatt teure Lokale aufzusuchen, empfiehlt es sich, öfters mal umzuziehen. Außerdem könnten Sie im Kleinanzeigenteil unserer Zeitung Ihre kostenlose Hilfe bei Umzügen anbieten. Die ewige Qual der Wahl mit den richtigen Freßtempeln sind Sie dann los.

Und uns – so Sie denn in Zukunft unserem weisen Rat folgen werden – ersparen Sie die geldintensive und nervenaufreibende Einkehr in Lokale. Außerdem wären wir endlich die schrägen Blicke los, die wir regelmäßig ernten, sobald wir neben die bestellte Pizza den Notizblock legen. Und wir können früher Feierabend machen. Um FreundInnen beim Umzug zu helfen. Man sieht sich. bk/zott

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