piwik no script img

Zeitgemäße Schuhschachtel

■ Die Bücherhalle Altona begrüßt LeserInnen ab heute im Einkaufszentrum Mercado

Ich glaub' ich krieg die Krise. Der Titel des Jugendbuches, das Detlef Klein am Freitag zur Vorstellung der neuen Räume der Bücherhalle Altona im Einkaufszentrum Mercado auf dem Rednerpult aufgebaut hatte, sprach Bände.

Heute um 11 Uhr öffnet die Bücherhalle ihre Pforten für das Publikum. Der Umzug vom Ottenser Marktplatz ist abgeschlossen, und damit soll auch die heftige kommunalpolitische Diskussion um den Standort, die sich über Jahre hingezogen hatte, beendet sein. Doch Klein, Bibliotheksleiter und Hausherr der neuen Räume, ist über den Umzug gar nicht glücklich, was nicht an der Größe der neuen Ausleihfläche liegen kann: Mit rund 940 Quadratmetern ist sie mehr als doppelt so groß wie die ehemalige am Ottenser Marktplatz. Altona hat nun nach Harburg die zweitgrößte Stadtteilbibliothek im System der HÖB (Hamburger Öffentliche Bücherhallen). Eine Erweiterung, die dringend notwendig war, denn die Ausleihzahlen sind hier seit Jahren die höchsten im HÖB-System.

250.000 Mark hat der Umzug gekostet, doch ist die Verlegung der Bücherhallen in Einkaufszentren der gängige Trend (siehe taz hamburg vom 19. Februar) und die Kaltmiete mit 15 Mark pro Quadratmeter äußerst moderat. Klein nannte die örtliche Anpassung an die Konsumentenströme in seiner Eröffnungsrede trotzdem einen „kitzligen Weg“: In einem kommerziellen Komplex seien die Bücherhallen zu stark von dessen Erfolg abhängig.

Im Foyer der neuen Bücherhalle dokumentiert die Ausstellung Vom Hertie zum Mercado des Photographen Thomas Müller die Proteste gegen den Bau des Einkaufszentrums, das auf dem alten jüdischen Friedhof entstand. Aufgrund eines politisch ausgehandelten Kompromisses verzichteten die Bauherren Büll & Liedtke auf die Unterkellerung des Geländes, um die Gebeine nicht anzutasten – wofür sie im Gegenzug von der Stadt Grundstücke am Holzhafen erhielten. Als eine Art Bauernopfer dieser „filzigen Verflechtung“sieht Bibliotheksleiter Klein auch die Verlegung der Bibliothek, die von Büll & Liedtke von Anfang an angestrebt wurde. Seiner Meinung nach hätte ein Umbau des alten Hauses ausgereicht, um die Fläche zu erweitern. Für die aufgrund des „Strukturkonzepts 2000“geschlossene Bücherhalle Bahrenfeld legte er eine Gedenksekunde ein.

Die künstliche Beleuchtung und die Klimaanlage stören ihn besonders in den neuen Räumen, die er schon einmal als „normale Schuhschachtel wie Görtz oder Safeway das auch haben“bezeichnete. Kultursenatorin Christina Weiss versuchte, den lichtarmen Raum mit Optimismus zu erhellen. Sie fand es „frappierend, was man auch aus solchen Räumen machen kann“und lobte die Lesetische an den Fenstern – genau zwei an der Zahl. Das gesamte Sortiment wird auf einer Ebene präsentiert, während im alten Gebäude durch drei Ebenen die Wege wesentlich kürzer waren. HÖB-Direktorin Hella Schwemer-Martienßen bezeichnete die Räume dennoch als „zeitgemäß“. Sie bedauerte allerdings, daß besonders die wenig mobilen Kinder im Erstlesealter unter den Sparzwängen zu leiden hätten und kündigte neue Konzepte an.

Kinder, die in Altona wohnen, haben es da schon gut: Die Bücherhalle im Mercado hat den größten Kinderbuch-Bestand im Gesamtsystem. Schlimmer trifft es ihre Eltern, denen von jetzt ab die Aufgabe zukommt, die Kids vor der Ausleihe an den verlockenden Marktständen im Erdgeschoß vorbeizubugsieren.

Sabine Claus

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen