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NachgefragtDie Magie der Macht

■ Ist weißer Feminismus eine Dominanzkultur? Interview mit der Professorin Birgit Rommelspacher

Birgit Rommelspacher ist Psychologin und Professorin für Mädchen- und Frauenarbeit an der Alice Salomon Fachhochschule in Berlin sowie Privatdozentin an der TU Berlin. Ihre Forschungs- und Arbeitsschwerpunkte sind: Feministische Psychologie, Rassismus und Antisemitismus.

Können wir auf die Demokratie verzichten, weil sie Dominanzkulturen repräsentiert?

Demokratie ist eine Errungenschaft. Problematisch ist aber, wenn so getan wird, als ob mit dem Wahlrecht das Volk herrschen würde und alle die gleiche Macht hätten. Wir haben zwar gesetzliche Regelungen, aber die Kraft der Normen, der Bilder, das Alltagsverhalten, kann unglaublich stark regulierend und ausgrenzend wirken. Die Frauenforschung hat dargestellt, wie Frauen durch informelle Strukturen vielfältigster Art vom Zugang zu ökonomischer, politischer und kultureller Macht ausgeschlossen werden. Und genauso funktioniert es bei ethnischen Minderheiten...

... an deren Ausgrenzung auch der westliche Feminismus beteiligt ist.

Die westliche weiße Frauenbewegung war wichtig, und sie ist es noch. Es hat sich aber im Vergleich zu vor 20 oder 30 Jahren etwas verändert: Das Emanzipationskonzept, damals ein Kampfbegriff, ist jetzt selbst Teil der politischen Alltagskultur unserer Gesellschaft geworden – und zeigt sich entsprechend ambivalent. Es ruft zur weiteren Ermächtigung von Frauen auf, andererseits wird es ausgrenzend benutzt. So sind Frauen immer schon Symbole von Kulturen gewesen, als Symbole des Allgemeinen, weil sie im Konkreten keine Macht haben. Im Augenblick dient etwa die türkische Frau mit Kopftuch als Symbol der eingewanderten unterdrückten Frau. Auf der anderen Seite gefällt sich die deutsche Mehrheitsgesellschaft darin, die emanzipierte deutsche Frau als Symbol für westlichen Fortschritt, für Toleranz und Offenheit zu setzen. Die Frauenbewegung muß sich fragen, ob sie das Spiel unbewußt mitmacht oder sich der kritischen Dimension des Emanzipationsbegriffes bewußt wird. Denn über solche Klischees werden Polarisierungen abgehandelt. Auch auf dem Arbeitsmarkt hat eine Polarisierung stattgefunden: einheimische deutsche Frauen gegen eingewanderte. Migrantinnen haben am meisten verloren, während die einheimischen Frauen, relativ gesehen, die Beschäftigungsgewinnerinnen in den letzten 20 Jahren sind.

Eine global denkende weiße Feministin müßte also darauf verzichten, politische oder ökonomische Macht zu übernehmen?

Auf gar keinen Fall. Ich plädiere aber für einen kritischen Feminismus.

... der wie aussehen soll?

So, daß die Doppelgesichtigkeit deutlich wird: Daß auch Frauen Interesse haben an Ausbeutung, Hierarchie und Unterdrückung, daß auch Frauen sich auf Kosten von anderen Frauen emanzipieren können. Es bedarf einer ständigen kritischen Selbstreflexion, die nicht nur nach vorn schaut, sondern gleichzeitig fragt, wer zurück- gelassen wird. Diese kritische Potenz war von Beginn an Bestandteil des Feminismus, Aber solange er praktisch gar keine Chance hatte, in der Gesellschaft Fuß zu fassen, waren wir in der Diskriminierung so vereint, daß die Differenzen nicht so sichtbar geworden sind.

Vor allem junge Frauen werden einwenden: Ein Wir, das auf die Schwächsten Rücksicht nimmt, hält auf. Warum darf ich nicht allein stark sein?

Es gibt diesen Generationskonflikt. Junge Frauen wollen nicht mehr hören, daß sie dauernd ausgegrenzt werden, all diese Opfergeschichten. Und ich finde das richtig so, denn diese alten bedrückenden Selbstidealisierungen und Klischees bringen uns nicht weiter. Aber das heißt ja nicht, daß man sich die Differenzen nicht trotzdem angucken muß. Wenn der Feminismus das nicht tut, ist er nichts anderes mehr als ein Entree der weißen Mittelschichtsfrau in die Gesellschaft. Man gibt das Selbstverständnis als Feministin auf, wenn man keinen kritischen Anspruch mehr hat. Das heißt nicht lähmende Solidarisierung, sondern vielmehr, Machtpositionen offensiv anzugehen und zu erringen, aber mit der Macht verantwortlich umzugehen.

Fragen: Dora Hartmann

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