Wand und Boden: In Zeiten von El Niño
■ Kunst in Berlin jetzt: James Rosenquist, Monica Bonvicini, Farhana Khan Khattak
Die Situation in der deutschen Guggenheim-Dependance ist nicht leicht zu überblicken. Drei Mammutgemälde von James Rosenquist erstrecken sich den Raum entlang, nebenan läuft ein Dokumentar- Video über das Projekt, das der 1933 geborene US-Pop-Artist im Auftrag der Deutschen Bank ausgeführt hat. Ein paar ältere Leute sitzen auf Hockern vor dem Monitor und schauen dem Künstler bei der Arbeit zu, während sie an ihrem Rosenquist- Berliner knabbern, den jeder Besucher gratis beim Besuch der Ausstellung erhält. Vor den Bildern verliert man sich ohnehin zwischen dem weitflächig dekorierten Ensemble.
Insgesamt hat Rosenquist für Berlin 3,50 mal 50 Meter Leinwand bemalt. „The Swimmer in the Econo-Mist“ ist für ihn „ein Ausruf, der Veränderung darstellt“. Man kann die einzelnen Stationen, die sich auf der Bildfläche überlappen, wie bei kaiserlichen Gemälden früher chinesischer Dynastien auch biographisch lesen. Links beginnt es mit stark schematisierten B-29-Bombern, weil Rosenquists Vater bei der US-Luftwaffe arbeitete. Als nächstes folgt ein Zitat aus Picassos „Guernica“, für das sich der junge Kunststudent in den fünfziger Jahren im Museum of Modern Art begeistert hatte, danach kommen die ersten Erfahrungen mit der Konsumwelt, in diesem Fall sind es Kellog's- Cornflakes-Schachteln. Der Berlinbezug bleibt dagegen vage und findet sich lediglich im Mittelteil am Rand eines Lippenstift-Balletts auf einer schwarzrotgoldenen Fläche wieder. Am Ende driftet das Ganze in ornamentalen Warencodes auseinander. Alles, was man sieht, ist farblich transparent aufgetragen, so wie die Zeichen selbst kein Geheimnis besitzen. Ein bißchen staunt man zwar über die Technik, mit der sich die Gegenstände in linksdrehenden Spiralnebeln auflösen. Aber dann geht man sich doch lieber den Berliner Pfannkuchen abholen.
Bis 14.6., täglich 11–20 Uhr, Deutsche Bank, Unter den Linden 13–15
Der Lärm ist enorm, die Haare fliegen einem um den Kopf, und überhaupt sieht es aus, als würde in der Galerie Mehdi Chouakri umgebaut. Monica Bonvicini hat einen extra Raum einziehen lassen, in dem nun, von zwei speziellen Hochleistungsventilatoren der Firma Helios angetrieben, 40.000 Kubikmeter Luft pro Minute zirkulieren. Überdruck entsteht dadurch nicht, doch der simulierte Wind erreicht mit 120 Stundenkilometern immerhin Orkanstärke – Kunst in Zeiten von El Niño.
Die verwirrten Naturverhältnisse sind für Bonvicini aber nur ein nebensächlicher Anknüpfungspunkt. Ihre Installation richtet sich vielmehr auf den Gegensatz von industriell und künstlerisch konstruiertem Raum, der hier ironisch abgefedert wird. So verspricht etwa eine skizzenhafte Collage zu dem Bauvorhaben „thermische Behaglichkeit“, auf einer anderen Planzeichnung heißt es „support the products of proletarian's sweat!“ Geschwitzt haben angeblich nur die Handwerker beim Aufbau, während man nun in der Zugluft steht und bei angenehmer Temperatur allmählich austrocknen dürfte.
Die Gewalt, mit der sich ein Hurrikan sonst ausbreitet, ist dabei physisch kaum zu spüren, der Sturm wird in der Galerie durch technische Mittel zugleich entfacht und gebändigt. Die Koppelung von Produktion/Destruktion setzt sich mit der Video-Arbeit „Hammering Out“ fort. Langsam, doch sehr kraftvoll werden dabei Löcher in eine Wand geschlagen, so daß es scheint, als würde die Projektion sich selbst zerlegen. Nach ein paar Minuten folgt ein Schnitt, und plötzlich ist die Wand auf der Wand wieder blütenweiß.
Bis 18.4., Di.–Fr. 14–19, Sa. 13–17 Uhr, Gipsstraße 11
Farhana Khan Khattak kämpft an allen politischen Fronten. Ihre Arbeit „20th Century Legacy“ in der Galerie am Scheunenviertel faßt die zwanzig Hauptübel zusammen, mit denen sich die Gesellschaften überall in der Welt auseinandersetzen müssen. Die Anklageschrift reicht vom Verstoß gegen die Menschenrechte über Flüchtlingskrisen und Rassismus bis zu Drogenmißbrauch oder Gentechnologie, aber auch zur Aids-Epidemie oder dem Konsumterror an sich. Das ist für eine Grafik-Ausstellung ein ziemlich gigantisches Unterfangen.
Ursprünglich für den 50. Jahrestag der Charta der Menschrechte in diesem Jahr konzipiert, hat die in Berlin lebende britische Künstlerin ihr Anliegen wie Briefmarkenvorlagen auf Druckbögen gestaltet. Zum Thema Gentechnologie etwa sieht man zwölf Felder auf einem Poster mit realistisch gezeichneten Augen, deren Pupillen sich farblich jeweils unterscheiden. Ansonsten wiederholen sich die Motive bei Khan Khattak stets als identisch gestanzter Block, nur der Frankierbetrag oben in der Ecke fehlt. Die starre Form der Darstellung ist nach dem fünften oder sechsten Bogen jedoch ein wenig ermüdend, zu monoton wird die Kritik abgehandelt. Einsame Kinder werden durch zerrupfte Teddys symbolisiert, Landminen sind Landminen, und Tortenstücke sollen den Überfluß der Industrieländer verdeutlichen. Indem jeder Konflikt auf die gleichen sloganhaften Motive reduziert ist, unterscheidet sich die Arbeit nicht allzusehr von einer Setzung. Dafür hätte womöglich eine simple Auflistung genügt.
Bis 27.3., Di.–Fr. 15–19, Sa. 15–18, So. 11–14 Uhr, Weinmeisterstraße 8 Harald Fricke
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