: Fünfzehn Prozent sind nicht viel
■ Wie wirkte sich der Vertrag von Seth Siegelaub auf den Kunsthandel aus? Maria Eichhorn im Gespräch mit Hans Haacke
Maria Eichhorn: Wie reagierten Ihre Händler auf den Vertrag?
Hans Haacke: Ich habe Glück gehabt, daß John Weber, bei dem ich 1973 gelandet bin, mit solchen Sachen sympathisierte. Er selber kommt aufgrund seiner Biographie aus einem etwas rebellischen Hintergrund. Mehrere der Künstler in seiner Galerie haben den Vertrag anfänglich angewendet. Daniel Buren hatte einen eigenen Vertrag entwickelt, der in einigen Partien sehr viel schärfer formuliert ist, besonders was die Präsentation seiner Arbeit angeht.
War der Vertrag für Sie nicht zu bürokratisch, kein zu großer Aufwand?
Im Grunde ist das ein minimaler Aufwand. Sammler und Galerien unterschreiben doch jeden Tag Dutzende Verträge und Abmachungen verschiedener Art. Praktisch ist es so, daß eine Art „Gentlemen's Agreement“ durch den Vertrag formalisiert wird. Mag sein, daß das den „Stil“ etwas beeinträchtigt.
Hatten Sie immer gute Erfahrungen mit dem Vertrag, von Anfang an? War es kein Problem, damit zu arbeiten?
Anfänglich und bestimmt auch heute gibt es Leute, die sagen: „Wenn Sie das wollen, nee, dann hab' ich keine Lust.“ Es ist mir auch passiert, daß ein Sammler eine Arbeit von mir verkauft hat und elegant vergaß, daß er mir etwas von seinem Gewinn abzugeben hatte. Da mußte ich einen Brief schreiben oder sogar einen Rechtsanwalt einspannen.
Sie haben nur durch Zufall erfahren, daß eine Arbeit weiterverkauft wurde. War das der einzige Fall von Vertragsbruch?
Nein. Auch bei der Vertragsbedingung, daß bei einer öffentlichen Ausstellung der Arbeit der Künstler um seine Zustimmung gefragt werden muß, ist manchmal geschlampt worden.
Gab es einen Fall, wo Sie zwar über die geplante Ausstellung Ihrer Werke benachrichtigt wurden, dem jedoch nicht zustimmten?
Ja, das war einmal bei der National Gallery in Australien der Fall. Es handelte sich um eine Ausstellung, die viel von einer Handelsmesse hatte. Da habe ich abgewinkt. Ich habe auch im nachhinein mal gemerkt, daß eine Arbeit in eine Ausstellung geraten ist, wo ich sie lieber nicht gesehen hätte.
Haben Sie Arbeiten ohne den Vertrag verkauft?
Nein. Von einer bestimmten Preisklasse an, ab 1.000 Dollar, läuft der Verkauf mit dem Vertrag. Bei Beträgen darunter spielt die Gewinnbeteiligung keine wesentliche Rolle. Allerdings entfällt dann auch die Kontrolle über Ausstellungsbeteiligungen. Aber bei Druckgraphik zum Beispiel wird das sehr umständlich.
Ist die Gewinnbeteiligung ein wichtiger Grund für Sie, mit dem Vertrag zu arbeiten?
Das ist in der Tat ein wichtiger Grund. Der andere ist, daß ich darüber befinden will, wo meine Arbeiten ausgestellt werden. Ich möchte am Gewinn beteiligt sein, wenn andere den großen Reibach machen. Fünfzehn Prozent sind ja wirklich nicht viel.
Das Folgerecht im deutschen Urheberrecht sieht zugunsten der Urheberin oder des Urhebers bei der Weiterveräußerung eines Werkes einen Anspruch auf fünf Prozent des Verkaufspreises vor, unabhängig davon, ob mit der Weiterveräußerung ein Gewinn erzielt wird. Viele Künstlerinnen und Künstler haben jedoch keinen Überblick darüber, wer was besitzt und weiterverkauft. Deshalb kommt das Folgerecht – außer bei öffentlichen Versteigerungen – kaum zur Anwendung.
Wenn die Künstler das nicht selber in die Hand nehmen und durchsetzen, passiert da nichts. Im übrigen funktioniert der Kunstbetrieb mit Klatsch und Tratsch. Über kurz oder lang wird bekannt, wem was gehört.
Sie haben nicht nur Rechte in dem Vertrag, sondern auch Pflichten; beispielsweise ein Verzeichnis über alle Übertragungen des Werkes, über Geschichte, Herkunft und Weg sowie von Sammlern gemachte Mitteilungen über vorgesehene öffentliche Ausstellungen anzulegen.
An jedes Vertragsexemplar hefte ich, was anfällt. Zum Beispiel, wenn eine Arbeit weiterverkauft wird, dann bekomme ich die Unterschrift zum Folgevertrag.
Werden Ihre Werke oft weiterverkauft?
Das kommt vor, allerdings nicht häufig.
Da könnte man exemplarisch anhand eines Werkes alle Übertragungen verfolgen.
Ja.
Bleiben Ihre verkauften Werke meistens beim Ersterwerber?
In der Mehrzahl der Fälle ja. Es gab wohl ein paar Verkäufe, bei denen ein enormer Gewinn für den Sammler abgefallen ist, wodurch dann auch meine 15 Prozent eine erhebliche Summe ausmachten.
Um welche Verkäufe handelt es sich dabei?
Das erste Mal mit „Social Grease“. Das sind die sechs Tafeln, auf denen die Instrumentalisierung von Kunst für Prestige und Sponsoringziele in Zitaten der Nutznießer zur Sprache kommt. Die gehörten zur Sammlung der Gilman Paper Company. Als die Sammlung 1987 aufgelöst wurde, landeten sie bei Christie's auf der Auktion. Sie erzielten einen erstaunlichen Preis, mehr, als ich je erwartet hätte. Das war auch bei einer der drei Arbeiten so, die 1971 zur Absage meiner Ausstellung im Guggenheim Museum geführt hatten. Als die von der italienischen Galerie Françoise Lambert, die das Stück ursprünglich für 'nen Appel und 'n Ei gekauft hatte, 1991 an das Pompidou verkauft wurde, hat die Galerie ein irrsinniges Geld gemacht.
Kann ich mir vorstellen. Und die Arbeit bleibt jetzt im Centre Pompidou?
Ich könnte mir vorstellen, daß es in Frankreich wie in anderen Ländern so ist, daß aus Staatssammlungen nichts verkauft werden darf.
Glauben Sie, daß aufgrund der Anwendung des Vertrages eine Spekulation mit Kunst eher vermieden wird?
Nein. Das ist auch nicht das Ziel des Vertrages.
Gegen Spekulation zu arbeiten ist nicht implizit?
Dazu eignet sich der Vertrag nicht. Ich weiß nicht genau, wo die Grenzen zwischen Spekulation und natürlicher Wertsteigerung der Arbeiten eines Künstlers zu ziehen sind, dessen Ansehen und damit auch dessen Preise im Laufe der Jahre steigen.
Mit bestimmten Werken kann man weniger spekulieren als mit anderen.
Mit immateriellen Werken kann man zum Beispiel nicht spekulieren. Aber auch mit etwas so konkretem wie meinem „Beton“ in der Ausstellung „Deutschlandbilder“ im Martin-Gropius-Bau [Berlin 1997] kann man nicht spekulieren. Auch meine „Germania“ in Venedig [Deutscher Pavillon, Biennale Venedig 1993] läßt sich nicht verhökern, und dasselbe gilt für mein „Standort merry-go round“ [„Skulptur. Projekte in Münster“, Münster 1997]. Solche Projekte überleben die Ausstellung nicht und können deshalb auch nicht zur Auktion geschleppt werden.
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