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Kohl darf auch zur nächsten Cebit

■ SPD-Kandidat Gerhard Schröder und Bundeskanzler Helmut Kohl eröffneten in getrennten Rundgängen in Hannover die Computermesse Cebit

Hannover (taz) – Draußen vor dem hannoverschen Messegelände standen noch die BesucherInnen der Computermesse Cebit in ihren Blechkisten in kilometerlangen Staus. Drinnen waren gestern morgen die Kamerateams, die sich gegenseitig auf die Füße traten, um ein Bild oder einen O-Ton vom Bundeskanzler oder von dessen Herausforderer Gerhard Schröder zu erhaschen. In getrennten Rundgängen, bei denen die beiden Politiker zwar oftmals die gleichen Stände anliefen, aber jede Begegnung vermieden, haben Helmut Kohl und der SPD-Kanzlerkandidat gestern die mit 7.250 AusstellerInnen bisher größte Cebit eröffnet.

An die fünfzig Fernsehteams drängelten und knufften ihre MedienkollegInnen beiseite, nur um Kohl an einem Auto mit Internetanschluß ins Bild zu bekommen oder um auf dem Stand der Telekom den bedeutenden Schröder-Satz: „Ist schon eine dolle Sache!“ mitzuschneiden.

Gerhard Schröder gab sich gestern morgen ganz als der technikinteressierte Modernisierer, ließ sich etwa von Telekom-Chef Ron Sommer demonstrieren, wie man inzwischen Spielfilme über eine normale Kupfer- Telefonleitung übertragen kann, blieb auch bei den Einzelheiten des volldigitalisierten „Asychronen Transfer-Netzes“ geduldig. Das Handy am Stand von Motorola nutzte er zum Plausch mit seiner daheimgebliebenen Gattin. Am Stand von Ditec bestieg er zur Freude der Fotografen ein lila-silbernes Golf- Cart, das hochmodern auf einem Display vor dem Lenker eine Karte vom Golfplatz und den Löchern zeigen kann. Auch in der Hitze des dichten Gedränges war der wißbegierige Kandidat nicht um einen Scherz verlegen. Nur bei der Reporterinnenfrage, wie denn die menschliche Kommunikation im Jahre 2020 aussehen werde, gestand der niedersächsische Ministerpräsident Unvermögen ein: „Meine Prognosefähigkeit reicht da nicht aus. Ich finde, das ist für mich auch ein bißchen spät.“

Als „immer verständigen Gesprächspartner“ lobte Ron Sommer den niedersächsischen Ministerpräsidenten. Sein Kontrahent, Bundeskanzler Helmut Kohl, zeigte sich gestern weit weniger an technischen Details interessiert, wollte mehr wissen, was bei der ganzen Computerei am Ende herauskommt, fragte vor allem nach Märkten, Geschäftspartnern, Umsätzen und vor allem nach neuen Arbeitsplätzen. Am Stand von Siemens-Nixdorf ließ sich der Kanzler zeigen, wie heute auch schon Blinde durchs Internet surfen können. Begleitet wurde er auf seinem Rundgang von BDI-Präsident Hans-Olaf Henkel.

Am Dienstag abend bei der Cebit-Eröffnungsfeier hatten es übrigens Schröder, Kohl, Henkel, Ron Sommer zusammen mit den Chefs von Siemens und IBM durchaus eineinhalb Stunden am gleichen Tisch ausgehalten. Zuvor hatte Helmut Kohl in seiner Eröffnungsrede optimistisch behauptet, daß er – Schröder hin, Schröder her – auch noch bei der nächsten Cebit dabeisein werde. Der SPD-Kandidat Gerhard Schröder widersprach dem gestern nicht: „Klar“, sagte er, „wir laden zur Cebit auch immer die Altbundeskanzler ein.“ Jürgen Voges

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