Mit der FDP auf du und du: Deregulierte Liberale
■ Erlebnisse beim Parteitag mit Rexrodt
Molly fand es „lahmarschig“. Sie arbeitet im Bürgerhaus Vegesack und kriegte dort am Sonnabend die Lobby-Gespräche beim FDP-Landesparteitag mit. Zum Beispiel sagte ein Liberaler zum anderen, daß Werder wichtiger sei als die FDP.
Im Konferenzraum war's familiär. Die FDP hatte dort auch schon lauter Wahlplakate aufgestellt. Die waren so sonnig wie draußen die Vegesacker Fußgängerzone. Günter Rexrodt, unser Bundeswirtschaftsminister, war auch da und plädierte morgens um zehn Uhr für „marktwirtschaftliche Erneuerung“. „ABM und so weiter“, das sei doch nur ein Rumkurieren. Da klopften die Abgeordneten nach zehn Minuten zum ersten Mal auf den Tisch. Leider hat der Konferenzraum im Bürgerhaus keine Fenster zum Markt und zur Fußgängerzone. Deswegen blieben alle noch ganz müde, und viele mußten schon mal ein bißchen in Peter Brauns Rechenschaftsbericht spicken. Da nämlich steht fett drin, wie es weiterginge in einem FDP-regierten Bremen: Mit Infrastrukturpolitik, Bildung und Deregulierung.
Peter Braun ist der Landesvorsitzende in der Partei und wurde am Sonnabend in seinem Amt bestätigt. Peter Braun wirkt ein bißchen wie G.K. Chestertons Priesterdetektiv Pater Brown; er strahlt etwas ziemlich Herzliches aus, kann aber auch mal streng sein. Gelobt wurde, daß er soviel Geschlossenheit schaffe. Nur die Inhalte fehlen manchen Mitgliedern manchmal. Dennoch wählten ihn 71 der 81 stimmberechtigten Liberalen wieder an die Parteispitze. Sein Stellvertreter heißt Ingo Kramer, der in Bremerhaven Präsident der Industrie- und Handelskammer ist. Der andere Stellvertreter heißt Magnus Buhlert.
Lange wurde über Schule diskutiert, wegen des FDP-Wahlkampfthemas Bildung. Ziemlich viele junge Liberale waren da. Die meisten sehen aus wie ihr Generalsekretär Westerwelle, nur einer trug einen grünen Rollkragenpulli. Ein anderer, Tobias Schorf, wollte im Namen der Jungen Liberalen (JuLis) das politische Mandat für Studenten, Fremdsprachenunterricht ab der zweiten Klasse und eine fünfte Grundschulklasse. Die älteren Liberalen wollten das aber nicht. Ekkehard Kleinhenz vom Landesfachausschuß Bildung, der Französischlehrer im Gymnasium an der Herrmann-Böse-Straße ist, erklärte auch, warum nicht. Die fünfte und sechste Klasse sollten endlich total normal werden, ohne Grundschulexperimente, Orientierungsstufe und alles. Und eine Frau sagte, es gebe doch sowieso schon überall zwei Sprachen in Bremens Grundschulen. Damit meinte die Liberale die Türken.
Im Leitantrag Wirtschaft/Infrastruktur stand dann unheimlich viel Positives über Autoverkehr. A 281, Georg-Bitter-Trasse, vierstreifiger Hemelinger Tunnel: All das solle endlich kommen. Dafür Verzicht auf Verlängerung der Straßenbahnlinie 4. Darüber wurde dann aber gestritten, und man einigte sich darauf, daß das jetzt entschieden nicht werden müsse. Zu dem Zeitpunkt saßen nur noch 30 Leute im Saal. Das Parkhaus hatte um fünf Uhr geschlossen.
Claus Jäger, Ex-Senator und Bundestagskandidat, warb in seiner Rede vor allem für die Deregulierung. Der Mann präsentierte sich als Energiebolzen. Ständig diskutierte er mit irgend jemandem, oft mit drei, vier Leuten auf einmal. Ständig wechselte er den Platz. Ein Beispiel für lebendige Deregulierung, die ihm so wichtig ist. Dem taz-Journalisten raunte er zum Beispiel zu, daß es ziemlich egal sei, ob zu Pornos, Asylanten oder Lauschangriff Gesetze gemacht werden. Weil die ja sowieso nichts nützen. Eben ein richtiger Anarchist. Und dabei ist er doch Rechtsanwalt. ritz
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