: Von allen guten Kräften verlassen
Alba Berlin scheidet durch ein 58:82 im zweiten Spiel des Viertelfinales gegen AEK Athen aus der Basketball-Europaliga aus. Was bleibt, ist die deutsche Meisterschaft ■ Aus Berlin Matti Lieske
„Wenn man jetzt etwas Negatives mitnimmt in die Meisterschafts-Play-offs, wäre das schlecht“, versuchte Alba-Manager Marco Baldi den „Schatten“ zu vertreiben, der sich am Ende über die Europaligasaison der Berliner Basketballer gelegt hatte. Zwei drastische Niederlagen gegen AEK Athen, das Aus im Viertelfinale – vorbei der große Traum, in das Final-Four-Turnier von Barcelona einzuziehen, das neben Athen bereits Kinder Bologna durch ein 58:56 gegen den Lokalrivalen Teamsystem erreicht hat. In den Begegnungen Partizan Belgrad - ZSKA Moskau und Benetton Treviso - Efes Istanbul fällt die Entscheidung im dritten Spiel am kommenden Donnerstag.
„Das entscheidende Ziel ist die Meisterschaft“, betonte Baldi einmal mehr, eine These, die auch Trainer Svetislav Pesic stets mit Vehemenz vertreten hatte. Seine großen Ambitionen, das konnte er nie verbergen, liegen jedoch auf internationaler Ebene. Dort kann sich das Erreichte durchaus sehen lassen. Mit dem grandiosen Sieg im Achtelfinale gegen Paok Saloniki schaffte es das Team auch in dieser Saison, einen Schritt weiterzugehen als im letzten Jahr. Alba hat sich endgültig unter Europas Spitzenteams etabliert, und es gibt, wie Pesic stolz betont, „keine Mannschaft, gegen die wir nicht gewonnen haben“. Was ihn zügig zu der berechtigten Frage führte: „Wenn wir gegen Paok gewonnen haben, warum nicht gegen AEK?“
Die Antwort hatte er natürlich selbst parat. „Wir waren physisch nicht fit“, analysierte der Coach. Wenn man ein so starkes Team wie AEK Athen besiegen wolle, müsse man genau an diesem Tag den Höhepunkt der Saison erreichen. „Wir aber waren weit von unserer Höchstform entfernt.“ Sämtliche Duelle seien verlorengegangen, Athen in allen Bereichen besser gewesen.
Grund für die konditionelle Misere: „Wir haben seit Paok nicht trainiert.“ Was heißen soll: nicht richtig trainiert. Ein Vorwurf, der besonders an die Adresse von Wassili Karassew und Wendell Alexis ging. Sonst jeweils für 20 Punkte pro Spiel gut, schafften sie in beiden Partien gegen Athen zusammen gemeinsam gerade 20 Zähler. Sie hätten sich im Training geschont, um Kraft zu sparen, kritisierte Pesic, was genau der falsche Weg gewesen sei: „Wassili und Wendell müssen nicht nur trainieren, sondern trainieren bis zum Umfallen, um ihre sportliche Form zu behalten.“
Das Unheil deutete sich vor 9.000 Zuschauern schon nach fünf Minuten an, als Albas bester Verteidiger Henning Harnisch, den Pesic auf den phänomenalen Werfer Bane Prelevic angesetzt hatte, mit drei Fouls auf die Bank mußte. Die Schiedsrichter pfiffen kleinlich und machten keinen Unterschied zwischen den eher brachialen Eingriffen der Griechen und jener aggressiven Alba-Defense, die der Mannschaft in ganz Europa gehörigen Respekt verschafft hat. So degradierten die Referees das Match in der Anfangshase zum reinen Freiwurfwettbewerb, bei dem die von der Linie wenig souveränen Berliner klar die schlechteren Karten hatten und bald in Rückstand gerieten.
Während sich die äußerst routinierten Athener durch nichts beirren ließen, ruhig ihre Angriffe durchspielten und vor allem unter den Körben dominierten, kamen die Alba-Spieler wie schon im ersten Match vollkommen aus dem Konzept. Besonders ließen sie das vermissen, was Pesic als essentiell für Partien auf höchster europäischer Ebene bezeichnet hatte: „Mut und Risiko“. Sobald nur der Schatten eines Atheners auftauchte, wurde die Aktion abgebrochen und der Ball schnell weitergepaßt, bis nur noch Würfe aus ungünstiger Position blieben. Nach fünf Minuten der zweiten Halbzeit hatte AEK seine Führung auf 21 Punkte ausgebaut – das Match war entschieden. Am Ende hieß es 58:82, was zusammen mit dem 68:88 im ersten Spiel einen Klassenunterschied nahelegt, der aber auch nach Meinung von Ioannis Ioannidis nicht existiert. „Wenn Alba am 18. Dezember gewonnen hätte, könnte es sein, daß Alba in den Final Four wäre“, machte der redselige Trainer Athens die Vorrunden-Niederlage der Berliner gegen AEK in eigener Halle als Schlüsselspiel der Europaligasaison beider Klubs aus.
Danach hatte sich AEK noch einmal verstärkt, vor allem mit Willie Anderson, der von Miami Heat kam, während Albas strapazierte Spieler mehr und mehr dem gedrängten Terminplan Tribut zollen mußten. So war das Duell mit Athen auch ein Wettstreit zweier Konzepte. Die Berliner bestritten die Europaliga mit zehn Spielern, während AEK insgesamt 17 einsetzte. Während der Saison tauschten die Athener drei Ausländer aus, ihr Kader ist mit erfahrenen Leuten aus fünf Ländern bestückt. Pesic setzt dagegen auf langfristige Planung und eine Mischung aus fünf jungen und fünf älteren Spielern. „Der Nachteil ist Mangel an internationaler Erfahrung, der Vorteil frisches Blut und Identifikation mit den Fans.“
Auch nach dem Debakel gegen AEK ließ der Coach erkennen, daß er von diesem Konzept nicht abweichen will. „Ich frage mich, ob sie in Berlin eine Mannschaft wie AEK leiden könnten, mit einem Italiener, einem Spanier, zwei Dänen, zwei Amerikanern, einem Jugoslawen und nur zwei Griechen“, zweifelt Pesic am internationalistischen Geist des Berliner Publikums. So etwas sei vielleicht in drei, vier Jahren möglich, was aber nicht heißt, daß alles beim alten bleibt. „Jeder muß kämpfen für seinen Job“, postulierte Pesic mit schelmischem Blick auf Marco Baldi, „Trainer, Spieler, Manager“. Der nächste Kampf steht schon morgen an, wenn es in Leverkusen beim vierten Viertelfinalspiel der Best-of-seven-Serie (Stand: 3:0 für Alba) wieder um das oberste aller Ziele geht: die Titelverteidigung.
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