: UNO: Scientology nicht verfolgt
Sonderberichterstatter der Menschenrechtskommission nennt Vergleich mit Nazi-Methoden „schockierend“. Kritik an Status für Muslime in Deutschland ■ Aus Genf Andreas Zumach
Der Sonderberichterstatter der UNO-Menschenrechtskommission für Fragen der religiösen Intoleranz, der Tunesier Abdelfattah Amor, hat die Behauptungen der Scientology-Organisation über ihre angebliche Verfolgung in Deutschland zurückgewiesen. In seinem gestern in Genf veröffentlichten Bericht forderte Amor zugleich, die Lage und den rechtlichen Status der muslimischen Gemeinschaften in Deutschland zu verbessern.
Grundlage des 27seitigen Berichts sind ausführliche Gespräche mit Vertretern von Scientology, Bundes-, Länder- und Justizbehörden sowie aller Religionsgemeinschaften, die Amor bei einem Deutschlandbesuch im September vorigen Jahres geführt hatte.
Die von Scientology vor allem in den USA verbreitete Behauptung, die Organisation werde in Deutschland verfolgt wie einst die Juden von den Nazis, wies Amor in seinem Bericht ebenso wie bei einem Vortrag vor der UNO-Menschenrechtskommission als „schockierend“, „kindisch“ und „belanglos“ zurück. In seinem Bericht listet Amor zwar sämtliche Vorwürfe der Scientology wegen ihrer angeblichen Benachteiligung in Deutschland sowie die Antworten deutscher Behörden auf, macht sich aber keinen dieser Vorwürfe auch nur im Ansatz zu eigen. Auch hält der Sonderberichterstatter in keinem Fall die Klärung weiterer Vorwürfe für notwendig. Ausdrücklich bescheinigt Amor, in Deutschland herrsche „volle Glaubensfreiheit“.
Jedoch könne „wie in anderen Staaten“ die Ausübung der Glaubensfreiheit „in besonderen, zur Aufrechterhaltung der Ordnung, der inneren Sicherheit und der Rechte anderer in gerechtfertigten Fällen gesetzlich eingeschränkt werden“. „Auch Scientology steht nicht über dem Gesetz“, erklärte Amor. In den von verschiedenen deutschen Behörden angeordneten Maßnahmen zur Überwachung von Aktivitäten und Mitgliedern der Scientology sieht der UNO-Sonderberichterstatter ebenfalls keinen Akt der religiösen Intoleranz oder eines anderen Menschenrechtsverstoßes. Amor lehnte jede Äußerung zu der Frage ab, ob es sich bei Scientology überhaupt um eine Religionsgemeinschaft handelt oder vorrangig um eine wirtschaftliche Organisation. Hierfür gebe es weder verbindliche Definitionen noch Kriterien.
Der Sonderberichterstatter plädierte allerdings dafür, den muslimischen Gemeinschaften in Deutschland – mit knapp drei Millionen Mitgliedern die bei weitem größte religiöse Minderheit – einen öffentlich-rechtlichen Status zuzuerkennen. Dann könnten sie auch Steuermittel erhalten und würden weniger abhängig von Einflüssen islamischer Gemeinschaften in anderen Ländern. Auch der deutsche Delegationsleiter bei der Menschenrechtskommission, Exbundesinnenminister Gerhard Baum, sieht hier „Handlungsbedarf“. Doch die Bundesregierung lehnt die Zuerkennung dieses Status bislang mit dem Argument ab, die überwiegend aus der Türkei, Nordafrika, Asien und Bosnien stammenden Muslime in Deutschland müßten zunächst ihre internen Differenzen überwinden und sich auf einen Sprecher für die Religionsgemeinschaft einigen.
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