: Bremens Daniel Düsentrieb
■ Der Erfinder Burkhard Suthoff, früher Hochschule Bremen, knackt harte Nüsse nach Bedarf seiner Kunden: „Am Anfang stehen wir da wie Kolumbus und wissen nischt“
Der Daniel Düsentrieb von Bremen sitzt in Huchting. Einen Steinwurf von der B 74 entfernt werkelt Burkhard Suthoff an allerlei vertrackten Problemen. Er kann Knochen oder verschiedene Metalle zusammenschweißen, auf dem Meeresgrund mit einem Sensor nach chemischen Kampfstoffen suchen, russische Plastikminen aufspüren, Schlösser einbruchssicher ausrüsten, vergammelte Bleirohre haltbar machen, und, und, und. „Am Anfang müssen sie greifen, was sie kriegen“, sagt der Erfinder, der seit einem dreiviertel Jahr Unternehmer ist. „Die Leute kommen hier vielleicht mit Nüssen her...“
Suthoff knackt sie. „Wir haben Glück gehabt und die richtigen Fragen gestellt“, erklärt der 48jährige Chef eines vierköpfigen Kern-Teams. „Aber manchmal stehen wir da wie Kolumbus und wissen erstmal nischt“. So war es ihm ergangen, als die Leute von der Bleihütte Nordenham kamen, weil ihre Rohre rätselhaft zerfressen waren. „Ich bin da in Branchen reingerutscht, von denen ich noch nie was gehört hatte.“Der Professor Doktor Doktor hat vor neun Monaten die Hochschule Bremen verlassen. Da gab es ein bißchen Krach, wegen Geld und Patenten. Aber darüber mag er nicht reden. Heute will er nicht mehr zurück.
Die Chefs der Baufirma Jelabau streckten ihm Kapital für seine GmbH vor. Die Bauleute hatten sich an ihn gewandt, weil sie auf ihren Grundstücken oft Munition finden. Suthoff hat einen Sensor entwickelt, der mißt, ob in Granaten Sprengstoff oder chemischer Kampfstoff steckt. Bisher, sagt der Physiker, mußten die Entschärfer die Granate ans Ohr halten und schütteln. „Wenn es schwappt können Sie nur hoffen, daß das Ding dicht ist“. Flüssigkeit bedeutet: Chemie.
Nachdem Suthoff seinen Sensor noch in der Hochschule entwickelt hatte, kamen neue Probleme: Suthoff brauchte Sprengstoff, um das Gerät zu eichen. „Kriegen Sie mal in Deutschland irgendwo Sprengstoff her“. Die Munitionsbergungsleute der Bundeswehr waren zunächst skeptisch. Erst als Suthoffs Sensor eine kombinierte Brandbombe erkannt hatte, war das Eis gebrochen. Inzwischen verdient er mit dem Sensor sein Geld.
Weitere Einnahmequelle für Suthoffs Firma ist das Reibungsschweißen. Dieses Verfahren perfektionierte der Wahl-Bremer, der 1989 noch vor der Wende wegen seiner Kontakte zur evangelischen Kirche über die Tschechoslowakei aus der DDR abgehauen war.
Auf einer umgebauten Drehbank werden verschiedene Materialen gegeneinander ins Rotieren gebracht und mit einem plötzlichen Ruck gestoppt. In diesem Moment verbinden sich sogar so gegensätzliche Metalle wie Titan oder Magnesium bombenfest. An dieser Technik sind Autofirmen und Maschinenbauunternehmen interessiert. Das ganze funktioniert aber auch bei Holz oder menschlichen Knochen. Seine DDR-Vergangenheit, sagt Suthoff, komme ihm heute zugute. Denn Mangelwirtschaft setze den Erfindungsgeist frei.
Ebenfalls noch in seiner Hochschulzeit hatte Suthoff die Idee, auch auf dem Meeresgrund nach chemischen Kampfstoffen zu suchen. Denn die Granaten gammeln seit mehr als fünfzig Jahren im Wasser vor sich hin, jetzt sind die Metallgehäuse durchgerostet. „Ich habe Angst um die Giftgase. Das geht ja alles in die Fische. Es ist ungeheuer, was da im Meer liegt“. Aus England besorgte sich der Professor ein kleines U-Boot, um den Müll aufzusammeln. Solange niemand die Säuberung des Meeresgrundes bezahlt, steht das Gefährt aufgebockt im Schuppen.
Jüngster Coup des Tüftlers ist eine künstliche Bauchspeicheldrüse, die er gemeinsam mit einem jungen Forscher aus Kamerun entwickelt. Dabei wird ein Computerchip ins Fettgewebe von Zuckerkranken eingepflanzt, der die Zufuhr von Insulin aus einem kleinen Depot nach Bedarf regelt. Das Patent ist angemeldet.
Um Fördermittel von der Stadt hat sich Suthoff noch nie gekümmert. „Da machen Sie den ganzen Schreibkram und warten dann ein Jahr. Da ist die Konkurrenz schon lange fertig“. Joachim Fahrun
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen