Zum Massen-Gentest: Test ist „Fehlschlag“
■ Kriminologe Pfeiffer bezweifelt Erfolg der Speicheltests im Mordfall Christina
Hannover. Am Erfolg des Gen-Massentests im Mordfall Christina aus Strücklingen haben Experten Bedenken angemeldet. Der Leiter des kriminologischen Forschungsinstitutes Niedersachsen, Professor Christian Pfeiffer, sagte jetzt im InfoRadio Berlin, die Aktion sei „ein Fehlschlag“, wenn es nicht gelinge, alle in Betracht kommenden Männer zur Teilnahme zu bewegen. Bei dem größten Gen-Massentest in der Kriminalgeschichte waren mehr als 12.000 Männer zwischen 18 und 30 Jahren aus der Region Cloppenburg dem Aufruf der Polizei gefolgt und hatten vor Ostern ihre Proben abgeben. Die so gewonnenen Daten sollen mit dem genetischen Fingerabdruck des Mörders der elfjährigen Christina N. verglichen werden.
Die Auswertung des Tests wird nach den Worten eines Sprechers des Innenministeriums mehrere Wochen dauern. Das Landeskriminalamt (LKA) könne pro Tag bis zu 250 Proben untersuchen. Um die Zeit zu verkürzen, werde ein Teil des Materials an das LKA Berlin abgegeben. Der Sprecher sagte, die von der Polizei genannte Zahl von 18.000 Proben sei nicht korrekt. Vielmehr seien rund 16.400 Männer aufgerufen worden. Eine Analyse koste etwa 50 Mark.
Pfeiffer betonte in dem Interview, „wenn 6.000 übrig bleiben, ist das viel zu viel, um zu sagen, die gucken wir uns jetzt genauer an.“Bei 100 bis 200 Verdächtigen könne die Polizei nähere Untersuchungen einleiten. Dennoch könne die Aktion erfolgreich sein. Es sei nicht auszuschließen, daß der Täter an dem Test teilgenommen habe, weil er erwischt werde wolle. Als Lehre sei aus der Aktion zu ziehen, daß es wohl nicht gelinge, so viele Menschen zum Mitmachen zu motivieren.
Bereits vor dem Test hatte der Experte des genetischen Fingerabdrucks der Berliner Gesellschaft für Rechtsmedizin, Professor Hubert Pöche, die Untersuchung als „Hau-Ruck-Aktion“bezeichnet. Der Vorsitzende der Vereinigung für Datenschutz, Thilo Weichert, sagte dem Berliner Radiosender, der Test sei eine „wahnsinnige Geldausgabe“, die kriminalistisch nichts bringe. Der wahre Grund für die Untersuchung sei, eine positive Stimmung für die Einrichtung einer Gen-Datenbank zu schaffen. Diese könne für polizeiliche Ermittlungen zwar sinnvoll sein. Dieses Instrument müsse aber „sehr vorsichtig“gehandhabt werden.
dpa
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