: „Schön wäre auch ein Wochenmarkt“
■ Stadtplaner Peter Illies im taz-Gespräch: Wohnen in Hammerbrook mit neuem S-Bahnhof, Straßenbahn und Fleet-Shuttle
taz: Sie haben 1991 ein Konzept für die City-Süd entworfen, das von Stadtplanern und behördenintern sehr kontrovers aufgenommen wurde und dann relativ schnell aus der Diskussion verschwand. Was ist von Ihrer Idee übrig geblieben?
Peter Illies: Der Ansatz von 1991 ist nach wie vor aktuell. Aus der Unruhe heraus, daß man integrativ planen sollte, entstand unsere Idee, Flächen für Verkehr, Ökologie, Arbeiten und Wohnen stärker zu mischen. Schon damals war absehbar, daß Hamburg zuviele Büroflächen hatte. Spannend war an dem Ansatz, daß er von den Hamburgischen Universitäten und der Stadt in einem gemeinsamen Dialog erarbeitet wurde.
Ihr Konzept wurde also doch politisch umgesetzt?
Das Stadtentwicklungsforum von 1993 unter Leitung von Baudirektor Kossak hatte damit zu tun, daß wir gerade die Süd-Ost-Achse geplant hatten. Die Stadtentwicklungsbehörde setzte daraufhin strategische Entwicklungsziele für Hammerbrook.
Welche?
Beispielsweise der Rückbau der Eiffestraße oder das Osterbrookviertel. Hier haben wir jüngst einen Bebauungsplan für 450 Wohnungen ausgelegt. Städtebaulich reizvoll wäre, das ganze Mittelbecken an der Bille zum Zentrum zu machen. Daß dieser Raum wegen seiner Lage und Landschaft äußerst günstig ist, hat das Stadtentwicklungsforum bestätigt. Dort könnte heute Mischnutzung stattfinden.
Aber doch nicht im Herzen von Hammerbrook?
Nein, natürlich außerhalb der Bürokomplexe. Wenn es aber gelänge, eine neue S-Bahnstation zwischen Berliner Tor und Rothenburgsort einzurichten, wäre das ein geeigneter Ort für ein neues Zentrum mit Geschäften und anderen Einrichtungen, die in der City-Süd fehlen. Eine tragende Idee wäre auch, einen übergeordneten Grünzug zu schaffen, der Alster, Bille und Elbe miteinander verbindet.
Wie wahrscheinlich ist der S-Bahnhof?
Das ist eine politische Entscheidung. Klar ist, daß er einen entscheidenden Impuls für das Viertel geben würde. Oder wenn es gelänge, eine Entlastung für den Hauptbahnhof am Berliner Tor hinzubekommen – das hätte eine ungeheure Wirkung auf den Stadtteil.
Die Infrastruktur in der City-Süd krankt seit langem. Hätte nicht Stadtplanung die Chance gehabt, hier vorausschauend zu steuern?
Es gibt einen sehr liberalen Bebauungsplan, der die Grundlage für die City-Süd darstellt und der Stadt wenig Durchsetzungsmöglichkeiten bietet. Man muß sicher Abschied nehmen von dieser Lebendigkeit, die der Stadtteil Hammerbrook früher hatte. Diese integrale Mischung wird es nicht mehr geben. Statt dessen wird es Wohn-Inseln geben, die nicht unbedingt miteinander vernetzt sein werden. Aber vielleicht entspricht das auch den Bedürfnissen der jungen Leute, die hierhin ziehen. Die haben andere Lebensstile, sind mobiler.
Also vor allem Wohnungen für Singles in der City-Süd?
Überwiegend, denn es gibt dort keine Infrastruktur. Die nächste Schule ist in St. Georg. Man könnte aber Dienstleistungen, Ärzte und ein paar Läden ansiedeln, falls es gelingt, ein drei Hektar großes Gelände an der Sonninstraße zu gewinnen. Schön wäre auch ein Wochenmarkt unter dem S-Bahn-Viadukt als Pilotprojekt.
Wie realistisch ist die Umnutzung der Gewerbefläche an der Sonninstraße?
Wir könnten dort gemeinsam mit dem Grundeigentümer ein zentrales innerstädtisches Quartier entwickeln mit Wohnungen, Arbeitsplätzen und Infrastruktur. Der politische Wille in diese Richtung entwickelt sich.
Das sind einzelne Projekte. Wir sehen das Problem, daß diese noch nicht in eine Struktur eingebettet sind.
In der Summe tut sich einiges: Mittelkanal, Sachsenfeld, Hammerbrookstraße, Grüner Deich, Münzplatz, Süder- und Sonninstraße: Das Viertel könnte ganz mit Wohnungen durchsetzt werden.
Ab wann?
Erst würde Hamm-Süd, dann Osterbrook entwickelt. Die Stadt hat dort viele Brachflächen. Es wäre wichtig, diesen Stadtteilen einen Identifikationsort zu geben. Das könnte in den nächsten drei Jahren passieren.
Welche anderen Standorte sollen aktiviert werden?
In der Wendenstraße soll zum Beispiel die Schokoladenfabrik als Wohnprojekt umgebaut werden. Problematisch daran ist, daß Wohnnutzung an Industrie grenzt. Die Betriebe fühlen sich durch künftige Lärmschutz- und andere Auflagen bedrängt. Da muß ein Kompromiß her.
Wer soll in solche neuen Wohnprojekte ziehen? Sozial Schwache oder Yuppies aus der City-Süd?
Es sollte sowohl sozialen als auch frei finanzierten Wohnungsbau geben. Die Leute vor Ort sehen das natürlich nicht gern, weil sie befürchten, daß das Aufwertungspotentiale sind. Ich teile diese Ansicht nicht ganz. Problematischer könnte es werden, wenn wir hier 450 Sozial-Wohnungen hinsetzen und das Ghetto gleich dazu.
Und in der Nähe sind doch jetzt Speditionen?
Die kriegen Probleme, wenn wir Ende Oktober den Bebauungsplan mit der Wohnungsfestsetzung auslegen. Die Speditionen kalkulieren und überlegen bereits, wegzuziehen. Der Standort wird für sie mit den künftigen Bewohnern unerträglich. Das schafft Perspektive für ein neues Zentrum.
Es gibt keine Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr.
Richtig. Es gibt nur den Bus. Deshalb hatten wir im City-Konzept für eine Straßenbahn über Hamm nach Steilshoop plädiert. Denkbar wäre auch, einen Shuttle-Verkehr auf dem Wasser einzurichten als Alternative zur Straße. Fragen: Till Briegleb, Heike Haarhoff
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen