: Polizei unter Kontrolle
Konsequenz aus Polizeiskandal: Hamburg erhält als erstes Bundesland eine Kontrollkommission gegen die „Mauer des Schweigens“ ■ Von Silke Mertins
Ab September soll sich die Hamburger Polizei nicht mehr selbst kontrollieren. Als erstes Bundesland wird die Hansestadt eine unabhängige „Polizeikommission“einrichten. Das beschloß gestern der Senat; sein Gesetzesentwurf geht nun der Bürgerschaft zu.
Danach besteht die Kommission aus drei ehrenamtlichen Mitglieder – mindestens eine Frau und eine juristisch ausgebildete Person sollen dabei sein –, die durch den Senat berufen werden. Sie erhalten Akteneinsichtsrecht und dürfen unangemeldet Dienststellen aufsuchen. Sie unterliegen nicht dem Strafverfolgungszwang, erhalten aber kein Zeugnisverweigerungsrecht.
Die rot-grüne Regierung setzt damit einen der zentralen Punkte des Koalitionsvertrages um. Bereits im November 1996 hatte der Parlamentarische Untersuchungsausschuß (PUA) zum Hamburger Polizeiskandal eine unabhängige Kontrollinstanz gefordert. Innensenator Hartmuth Wrocklage (SPD) setzte den Beschluß jedoch nicht um. Er befürchtete, daß eine Kommission die direkt verantwortlichen Vorgesetzten entlaste und dazu führe, daß Mißstände als Sache einer außerhalb des Polizeiapparats angesiedelten Instanz betrachtet würden.
Außerdem meldete er verfassungsrechtliche Bedenken an, wenn diese Kontrollkomission beim Parlament angesiedelt würde, da dann die Gewaltenteilung nicht mehr gewährleistet sei. Als Wrocklage gestern seinen Gesetzesentwurf vorstellte, räumte er ein, daß er, hätte er allein entscheiden können, lieber auf die „Innere Führung“gesetzt hätte. Die jetzige Lösung betrachte er als „loyale Umsetzung eines politischen Ziels“.
Tatsächlich weicht Wrocklages Entwurf entscheidend von den ursprünglichen Vorschlägen ab. Die „Polizeikommission“soll nicht dem Parlament, sondern der Dienstaufsicht der Innenbehörde unterstellt werden; sie ist der Bürgerschaft nur berichtspflichtig. Damit sind Wrocklages verfassungsrechtliche Bedenken ausgeräumt.
Beamte, die die „Mauer des Schweigens“brechen wollen, können sich ebenso an die Kommission wenden wie BürgerInnen. Allerdings: Ein Polizist kann sich nicht vertraulich an die Kommission wenden, sondern muß gleichzeitig seinen Vorgesetzten informieren. Das schreibe das Beamtengesetz vor, rechtfertigte Wrocklage diese erhebliche Einschränkung.
Dennoch ist die GAL begeistert. Der Senat habe „die Koalitionsvereinbarung in diesem wichtigen Punkt zügig und vollständig umgesetzt“, so Parteisprecher Peter Schaar. Die CDU lehnt die Kommission hingegen ab. Es gäbe bereits genug Kontrollinstrumente.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen