: Berliner Polizei: Radetzky, marsch!
■ Neue Vorwürfe aus Nordrhein-Westfalen wegen des Berliner Polizeieinsatzes in Ahaus. Unkollegiales Verhalten gegenüber den NRW-Beamten. Innenministerkonferenz und Abgeordnetenhaus werden über Berliner Ca
„Unbesonnen“ sind die Berliner Polizeibeamten bei ihrem Castor-Einsatz in Ahaus gewesen, „konzeptlos“, „nicht professionell“ und „aggressiv“. Zu diesem Resümee kommt ein nordrhein- westfälischer Polizeiführer in einem Bericht, der zusammen mit einem Brief des NRW-Innenministers Franz-Josef Kniola (SPD) an Innensenator Jörg Schönbohm (CDU) gestern bekannt wurde.
Nach Informationen von Inforadio und SFB 88,8 werfen nordrhein-westfälische Polizeiführer den Berliner Beamten unter anderem vor, morgens um sechs von einem Einsatz zurückgekehrt zu sein und die übrigen Beamten mit dem Abspielen des Radetzkymarschs über Außenlautsprecher aus dem Schlaf gerissen zu haben. In einem anderen Fall hätten die Berliner Einsatzkräfte mit Räumpanzern und Wasserwerfern ohne Rücksprache einen Bahnübergang überquert, obwohl der von anderen Polizeibeamten abgesperrt worden war. Dabei sei eine Bahnschranke beschädigt worden.
Insgesamt, so geht aus dem Bericht hervor, sind die Berliner nicht nur durch überharte Schlagstockeinsätze gegen Demonstranten, sondern auch durch unkollegiales Verhalten gegenüber den Kollegen aus NRW aufgefallen. So hätten sich etwa die Einheitsführer trotz mehrfacher Aufforderung geweigert, Sammelunterkünfte zu beziehen. „Durch Kräfte der Abteilung Berlin“, so heißt es außerdem, „sind in der Unterkunft verlegte Kabelbrücken und Abwasserrohre durch Einsatzfahrzeuge beschädigt worden.“
Innensenator Jörg Schönbohm versuchte gestern, den Spieß umzudrehen und warf seinerseits Kniola „unkollegiales Verhalten“ vor. Er kenne keinen Fall, so Schönbohm, bei dem ein Minister die Polizei eines anderen Landes beschimpfe, nachdem diese dort an schwersten Einsätzen teilgenommen habe. Erneut wies Schönbohm die Vorwürfe als haltlos zurück.
Dies wollte der innenpolitische Sprecher der SPD in Nordrhein- Westfalen, Jürgen Gensch, nicht auf sich sitzen lassen. „Das Problem ist“, so Gensch, „daß die Berliner Polizeiführung noch nichts von der Deeskalationslinie gehört hat“.
Mit dem Castor-Einsatz der Berliner Polizei wird sich im Mai nun die Bundesinnenministerkonferenz befassen. Bereits am 4. Mai wird der Innenausschuß des Abgeordnetenhauses sich mit dem Radetzkymarsch in Ahaus beschäftigen. Uwe Rada
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen