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KommentarDebakel für Kohl und Fischer

■ Sachsen-Anhalt: SPD und DVU sind die Wahlsieger

Erstmals wird eine rechtsextreme Partei in einen ostdeutschen Landtag einziehen. Bei wem jetzt das Erschrecken einsetzt, der hat bislang die Augen verschlossen. Die Wurzeln des Rechtsextremismus reichen bis in die Zeit der DDR. Die Affinität gegenüber rechtsextremen Positionen, hat sich in Ostdeutschland in den letzten Jahren kontinuierlich verbreitet. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie auch einen parlamentarischen Ausdruck fand. Dafür reichte ein Programm, das nur zwei Botschaften brüllte: gegen Ausländer und gegen „die da oben“. Doch wird man auch in Sachsen-Anhalt, wie zuvor in Bremen und Berlin darauf vertrauen können, daß die Rechtsextremisten an ihrer eigenen Dämlichkeit scheitern werden, wenn im Parlament der Arbeitsalltag einkehrt.

Dieser Alltag, daß zumindest hat die DVU schon erzwungen, wird aller Voraussicht nach von einer großen Koalition bestimmt werden. Damit beschert die DVU der CDU den einzigen Nektar, den sie aus dieser Wahl saugen kann. Sie ist wieder an der Regierung. Helmut Kohl wird das weder helfen noch trösten. Die CDU droht schlapp zu machen. Nun kann die Partei der Frage nach dem richtigen Spitzenmann kaum mehr ausweichen. Noch mehr als der Wahlsieg der SPD dürfte die Union die Tatsache deprimieren, daß sie sich nun fast in Augenhöhe mit der PDS wiederfindet. Von dieser Warte aus läßt sich nur noch schwerlich über Rote Socken lästern. Die SPD ist nun kaum mehr einzuholen.

Der Erfolg der sachsen-anhaltinischen SPD ist Ausdruck einer tiefsitzenden Enttäuschung der Wähler über die nicht eingelösten Versprechen der Bundesregierung. Von dieser Frustration der Wähler vermochte die SPD ungleich stärker profitieren als die PDS. Allein mit dem Anspruch der authentischen Sachwalterin diffuser ostdeutscher Interessen aufzutreten reicht nicht mehr. Die PDS verliert in dem Maße, wie es der SPD gelingt, die wirtschaftliche Umwälzung, mit einem Mindestmaß an sozialer Teilhabe und sozialem Ausgleich zu verbinden.

In der Dominanz der wirtschaftlichen und sozialen Probleme liegen auch die Gründe für das schlechte Abschneiden der Grünen. Der Streit um den Benzinpreis mag den Überdruß der Wähler gesteigert haben, entscheidender ist, daß sich die Wähler weder personell noch programmatisch eine Verbindung zwischen den Grünen und dem Aufbau des Ostens herstellen können. Dieter Rulff

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