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Emil und die Offiziere

Der Kommunist Emil Carlebach besucht die Führungsakademie der Bundeswehr  ■ Von Heike Dierbach

„Ich diskutiere lieber mit Soldaten, als daß ich an der Wand stehe und die ihre Gewehre auf mich richten.“Emil Carlebach hat zweimal in seinem Leben vor den Waffen deutscher Uniformträger an der Wand gestanden: 1933 und 1938 – beide Male aufgrund seiner politischen Überzeugung. Emil Carlebach ist Kommunist. Und als solcher führte er unlängst ein „Gespräch“mit Offizieren an der Führungsakademie der Bundeswehr in Blankenese.

Eingeladen hatte sich der 83jährige genaugenommen selbst. Nach dem Skandal um den Vortrag des Neonazis Manfred Roeder an der Akademie empfahl er sich im Dezember vorigen Jahres als Referent zur „Rolle der Armee in der deutschen Geschichte“. Seine „Eignung“für solch einen Vortrag begründete Carlebach mit den Worten: „Schließlich werde ich auch vom Verfassungschutz beobachtet.“Nur einschlägig vorbestraft sei er nicht – im Gegensatz zu Roeder. Aber das sei doch sicherlich kein Hindernis.

Die Antwort der Militärs ließ auf sich warten. Erst nach einem weiteren Brief Carlebachs im Februar diesen Jahres, in dem er Verteidigungsminister Volker Rühes Forderung nach „kritischen Offizieren“zitierte, lud ihn Oberst Reinhard Ostermeyer nach Hamburg ein. „Wir wollten Herrn Carlebach zeigen, daß wir offen für andere Meinungen sind“, erläutert Ostermeyer. Die Einladung habe sich lediglich verzögert, weil man „immer gründlich prüfen“müsse, mit wem man es zu tun habe.

Carlebachs Referenzen als ehemaliger KZ-Häftling, Landtagsabgeordneter der KPD, Chefredakteur der Frankfurter Rundschau und heutiger Vizepräsident der Internationalen Lagergemeinschaft Buchenwald reichten aus, zwar nicht für einen Vortrag, aber immerhin für eine „Diskussionsrunde“. Zwei Stunden lang dauerte das Treffen mit deutschen Soldaten der Gegenwart.

„Eine Diskussion war es eigentlich nicht“, resümiert Carlebach anschließend. Sehr höflich seien die rund fünfzehn Offiziere und Unteroffiziere gewesen, aber auch sehr still – kaum Fragen, keine Widerrede. Ostermeyer dagegen freut sich über die „kontroverse und durchaus lebhafte“Beteiligung seiner Ausbilder und Auszubildenden. Vielleicht seien die Soldaten „ein bißchen vorsichtig“gewesen, mit Rücksicht auf Alter und Lebensgeschichte des ehemaligen KZ-Häftlings.

Der wollte zwar auch „niemanden verletzen“, hatte den Soldaten aber ein deutliches Programm mitgebracht – in dem Bewußtsein, daß „wir die Armee so dringend brauchen wie einen Kropf am Hals“. Daß diese Armee in 125 Jahren niemals das Land verteidigt, sondern mehr Deutsche umgebracht habe als alle Gewaltverbrecher zusammen, hörten sich die Offiziere in aller Ruhe an. Carlebach kann sich nur wundern. Er habe auch darüber gesprochen, daß sich die Rolle der Soldaten als Kanonenfutter seit dem Mittelalter nicht verändert habe. „Ich habe lediglich Politiker und Militärs zitiert.“Mit dem Marxismus wollte er den Soldaten nicht kommen, „dann hätten die ja gar nicht erst zugehört.“

Dabei seien die Soldaten es gewohnt, sich mit unterschiedlichen Meinungen auseinanderzusetzen, betont Oberst Ostermeyer. Auch wenn Carlebach über die Geschichte „sehr andere Auffassungen“habe als „wir“– die Bundeswehr. Vor allem hatte Carlebach aber auch andere Informationen als der Lehrplan der Führungsakademie. Aussagen, wie die des Generalinspekteurs der Bundeswehr, Ulrich de Maiziére, im Jahre 1964 etwa, für den die Armee „der Zünder für die große Explosion“war. In Identitätskrisen stürzt das die jungen Offiziere nicht, versichert Ostermeyer – „das wäre ja auch traurig!“

Dennoch wertet er das Treffen als Erfolg, da es gelungen sei, Emil Carlebach zu zeigen, „daß wir offen sind“. Der KZ-Überlebende wiederum fragt sich, ob seine Worte in den Köpfen der Soldaten wenigstens weiterwirken. Viel Hoffnung macht er sich nicht. „Die scheint mir da fehl am Platze.“

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