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„Die Luftbrücke ist nichts weiter als Bluff“

■ Auch wenn der Ostsektor eine vermeintliche Überlegenheit über den Westen propagierte, bezog während der Blockade nicht einmal jeder zwanzigste Westberliner seine Lebensmittel aus der Zone

Die 322 Tage dauernde Luftbrücke erlebte der Osten im Propagandarausch. Dem Wort Luftbrücke war in den Ostzeitungen immer ein „angeblich“ vorangestellt: Alles gelogen, um Berlin auszuplündern. Statt dessen schrieben die Zeitungen tagtäglich über die Überlegenheit des Ostens gegenüber dem Westen – natürlich ohne das Wörtchen „angeblich“. Der Osten fühlte sich überlegen.

Die Tägliche Rundschau, die Tageszeitung des Kommandos der Roten Armee für die deutsche Bevölkerung, hatte ihre eigene Theorie über die Luftbrücke: „Das ist nichts weiter als Bluff. Es geht keineswegs um die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln auf dem Luftwege“, hieß es, „sondern um eine weitere Ausplünderung Berlins.“ Am 26.2. 1948, zwei Tage nach der Währungsreform in der Sowjetischen Besatzungszone, verkündete das Blatt: „Es ist jetzt schon klar, welche Währung praktisch in Berlin gilt, welche wirklichen Wert für die Berliner hat. Daß es die neue Reichsmark ist, darüber besteht – trotz gegenteiliger Propaganda der westlich lizenzierten Zeitungen, bei fast allen Berlinern, auch in den westlichen Bezirken, kaum ein Zweifel.“

Die Zeitungen waren voll von „Hilfsangeboten“. Doch ob tatsächlich Westberliner Schüler in die geheizten Ostschulen kamen, wurde verschwiegen. Im wahren Leben war es nur eine verschwindend kleine Minderheit der Westberliner, die die gereichte Hand ergriffen. Es waren weniger als fünf Prozent der 920.000 Westberliner Familien, die ihre Lebensmittelkarten in Geschäften des Ostsektors eintragen ließen und dort Kohle einkauften. Die Mehrheit zog es vor, die Zähne zusammenzubeißen, statt sich im Osten einen Stempel in den Ausweis verpassen zu lassen, der später als Option für den Osten erkennbar war.

Trotzdem meinte der Osten, über den Westen zu triumphieren. Weihnachten 1948 verkündete die Berliner Zeitung: „Es ist gut, sich unter dem Weihnachtsbaum 1948, den es diesmal zu normalen Preisen zu kaufen gibt, an die Zustände der bisherigen Berliner Nachkriegs-Weihnachten zu erinnern. Es ist uns in der Ostzone gelungen, die sich sträubenden Elemente der Wirtschaft so in die Hand zu bekommen, daß wir die gesamte Volkswirtschaft in einem allgemeinen Plan bändigen konnten.“

Weitere Lieblingsthemen waren Urteile von Schnellgerichten über „zweifelhafte Existenzen“, die mit Westgeld handelten, und der Kampf der Volkspolizei gegen Schieber und Schwarzhändler. „Die S- und U-Bahnen oder Straßenbahnen“, hieß es im Dezember 1948 in der Berliner Zeitung, „waren oft so voll, daß Gepäckstücke, Koffer und Säcke den normalen Publikumsverkehr beeinträchtigten.“ Jede Beschlagnahmung wurde minuziös mit der genauen Anzahl der gefundenen Schnapsflaschen, Rasierklingen, Schokoladen, Zigaretten, Heizungsventile, Thermometer oder Igelitmäntel aufgeführt.

Im Mai 1949 berichtete das ND von Wachtmeister Willi Holz, der in nur sechs Monaten „15 schwere Fische“ gefangen hatte. „Natürlich tun die Burschen wie die Unschuldslämmer“, wird der Wachtmeister zitiert. „Na, aber schließlich bekommen wir auch die schlauesten.“ Die Polizeieinsätze wurden als „gerechtfertigte Maßnahmen zur Bekämpfung des Schieberunwesens und des schwarzen Marktes“ verteidigt. Keineswegs gehe es darum, so die Berliner Zeitung, einen „unsichtbaren Stacheldrahtzaun um den Ostsektor“ zu ziehen, wie die Zeitungen im Westsektor schrieben.

Gegen die Solidarität zwischen getrennt lebenden Familien dagegen war die Volkspolizei so gut wie machtlos. Im Osten war die Versorgungslage drei Jahre nach Kriegsende zwar auch nicht gerade rosig, aber zumindest ungebrochen. Weil es bei seiner Verwandtschaft im vornehmen Schmargendorf „bestimmte Ängstlichkeiten“ gab, in den Osten zu fahren, machte sich der heute 58jährige Laurenz Demps aus Prenzlauer Berg einmal in der Woche mit seinen Eltern auf den Weg nach „drüben“, mit der Ringbahn über Treptow und Neukölln. Frische Kartoffeln und Stearinkerzen wurden gegen Milch- und Eipulver oder Trockenmohrrüben getauscht. Derlei „Familienabsprachen“ hätten Schmuggelaktionen quasi überflüssig gemacht, so der Ostberliner Historiker. „Außerdem setzt Schmuggel Grenzen voraus.“ Barbara Bollwahn

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