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Das ganz kleine Europa des WDR

■ In NRW wird ein Radioprogramm für Ausländer aufgemacht: nachts und als Mogelpackung

Es passiert nicht oft, daß der WDR einem CSU-Abgeordneten zu Dank verpflichtet ist. Normalerweise wäre die Ankündigung von WDR-Intendant Fritz Pleitgen, ein Radioprogramm für Ausländer zu starten, vielleicht untergegangen. Doch verläßlich lief der innenpolitische Sprecher der CSU, Wolfgang Zeitlmann, Amok: „Es ist ein starkes Stück“, sagte Zeitlmann, „angesichts des hohen Anteils von Ausländern, die sich illegal in Deutschland aufhalten, die Notwendigkeit für einen Migrantensender zu konstruieren.“ Wenn der CSUler nicht in DVU-Manier losgeholzt hätte, kaum jemand hätte wohl gemerkt, daß Pleitgen etwas Neues vorhat. So viel Neues hat sein „Kleines Funkhaus Europa“ nämlich gar nicht.

Dabei will der WDR-Chef schon lange den 7,3 Millionen in Deutschland lebenden MigrantInnen – von denen die meisten brav Rundfunkgebühren zahlen – ein eigenes Radioprogramm geben. Jenen täglichen „fremdsprachlichen“ Radiosendungen, zu denen die ARD-Sender seit den 60er Jahren gesetzlich verpflichtet sind, ist längst die Zielgruppe abhanden gekommen – sie sind ohnehin dem damaligen Konzept von der „Brücke in die Heimat“ verpflichtet. Dabei können nicht nur die hier lebenden Türken inzwischen Fernsehen in ihrer Muttersprache empfangen.

Da liegt es auf der Hand, daß ein integratives Programmkonzept her muß. Trotzdem kam die Ankündigung überraschend. Schließlich hatte Pleitgen noch letzthin bedauert, sein Traum vom „Funkhaus Europa“ habe wohl vorerst keine Chance. Einige Sender wollten nicht so recht. Da sah auch die Gebührenkommission KEF, bei der Pleitgen schon mal zwölf Millionen Mark angemeldet hatte, keinen Grund zu handeln.

Man müsse sich „erst mal auf das derzeit Machbare konzentrieren“, begründet WDR-Hörfunkchefin Monika Piel die nun in Angriff genommene „kleine Lösung“. Das, was im September NRW-weit auf Sendung gehen soll, ist allenfalls eine Miniaturausgabe der Ursprungsidee. Zwölf Stunden pro Tag klingt zwar für den Anfang nicht schlecht, sieht aber bei einer Sendezeit von 18 bis 6 Uhr morgens dann nach Mogelpackung aus. Abgesehen von einer einstündigen Anrufsendung, in der deutsche und ausländische Hörer ihre Probleme miteinander diskutieren sollen, soll es zudem vorerst gar nichts Neues geben. Auf die Anrufsendung folgen die Fremdsprachenprogramme, die derzeit auf der WDR-Welle Radio 5 untergebracht sind.

Anschließend ist eine Übernahme des Nachtprogramms vom SFB-„Radio MultiKulti“ geplant. In Berlin gibt es nämlich längst, was Pleitgen für ganz Deutschland vorschwebt. Doch weil der SFB in der ARD nur sehr schwach ist, wurde eine Ausweitung des mehrfach prämierten Programms bisher nur zaghaft erwogen.

Auch daß sich das NRW- „Klein-Europa“ zu einem bundesweiten Vollprogramm entwickeln könnte, ist zweifelhaft. Bislang hätten neben dem SFB nur der NDR und Radio Bremen Interesse an einer Kooperation bekundet, sagt Piel: „Aber notfalls starten wir das Projekt auch allein.“ Reinhard Lüke

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