piwik no script img

Interview: Jörg Kuhbier„Unbehagliches Gefühl“

■ Hamburgs SPD-Parteichef über DVU, Diskussion und Demokratie

taz: In Sachsen-Anhalt besteht die SPD darauf, die DVU zu isolieren. Sie haben Montag abend auf N3 mit einem DVU-Vertreter diskutiert. Warum?

Jörg Kuhbier: Vertreter anderer Parteien und unabhängige Dritte hatten bereits zugesagt. Daher hielt ich es für notwendig, mich dieser Diskussion über die Ausländerhetze und die faschistischen Ziele der DVU nicht zu entziehen. Das bedeutet aber keineswegs, daß ich die Ächtung dieser Partei nicht unterstütze. Die Verantwortung für die Einladung liegt beim Sender. Für mich ist es zweierlei, ob man versucht, jegliche parlamentarische Gemeinsamkeit mit Rechtsextremen zu unterbinden wie in Sachsen-Anhalt, oder ob man nach Abwägung an einer solchen Diskussion teilnimmt.

War es ein Fehler, bisher nicht mit der DVU zu reden?

Ich würde das von Fall zu Fall kritisch bewerten. Also: Wen kann man erreichen, um deren erschreckend verbreiteten Positionen entgegenzuwirken?

Und? Macht reden Sinn?

Nach meiner Erfahrung vom Montag sehe ich das skeptisch. Die Diskussion erweckte sehr stark den Eindruck von Normalität. Der DVU-Vertreter konnte sich sogar durch das Übergewicht der Andersmeinenden in der Runde in eine Opferrolle bringen. Ich bin jedenfalls mit einem sehr unbehaglichen Gefühl nach Hause gefahren.

Werden DVU-Wähler nicht leichtfertig oft entschuldigt?

Ja, wir machen leicht den Fehler, alles auf die sozialen Ursachen zu schieben, indem wir sagen: Ach die Armen, die können ja nichts dazu, weil sie in einer so schwierigen Situation sind. Das darf man nicht tun, sondern man muß differenzieren.

Wie denn?

Viele DVU-Wähler denken und handeln rechtsextremistisch, bei anderen ist es sicher Enttäuschung und Verzweiflung. Etwas gegen die Perspektivlosigkeit von Jugendlichen, die zunehmende Gewaltkriminalität und ausländerfeindliches Denken zu tun, ist ein richtiger Ansatz. So muß jeder von uns ausländerfeindlichen Bemerkungen entschiedener entgegentreten. Oft tragen auch Gutbürgerliche, weil sie konfliktscheu oder zu feige sind, zu einem Klima bei, das die DVU begünstigt.

Interview: sim

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen