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Rechter Aufschwung beim Münchner Turnfest

■ Der rechtsextreme „Österreichische Turnerbund“ soll Ende Mai beim Deutschen Turnfest in München teilnehmen. Für eine Ausladung sieht der Veranstalter keinen Anlaß. Grüner Protest

Nürnberg (taz) – Sie tragen Fahnen mit der Aufschrift „Rassenreinheit“, schmettern als offizielle Grußformel „Gut Heil“ und werden vom renommierten Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands (DÖW) als „mit Abstand wichtigste Organisation des Deutschnationalismus und Rechtsextremismus“ in der Alpenrepublik gehandelt.

Nun soll der „Österreichische Turnerbund“ (ÖTB) in Deutschland zu neuen Ehren kommen. Der Deutsche Turnerbund (DTB) hat ihn zum Deutschen Turnfest Ende Mai in München eingeladen. Die Grünen wollen das nicht hinnehmen.

Bis zu 100.000 Teilnehmer werden beim Turnfest vom 31. Mai bis zum 7. Juni in der bayerischen Landeshauptstadt erwartet. „Der ÖTB ist einer von vielen ausländischen Verbänden“, kann DTB- Pressesprecher Wolfgang Staiger an der Einladung des umstrittenen Vereins nichts Besonderes finden. In Österreich denkt man da anders.

Der 1952 gegründete ÖTB zählt 70.000 Mitglieder und beruft sich ideologisch auf „Turnvater“ Friedrich Ludwig Jahn. Der hatte nicht nur die Losung „frisch, fromm, fröhlich, frei“ ausgegeben. Er hatte „Polen, Franzosen, Pfaffen, Junker und Juden“ als „Deutschlands Unglück“ bezeichnet, sich für „Rassenhygiene“ ausgesprochen und einen deutsch-völkischen Nationalismus vertreten.

Da sich der ÖTB in dieser Tradition sieht, sorgte er immer wieder für Aufsehen. Schüler in Wien weigerten sich, in Turnhallen Sport zu treiben, über deren Eingangstür der Schriftzug „Fremde Völker bringen uns immer tiefer ins Verderben“ prangte. Gemeinsam trat man mit rechtsextremen Burschenschaften wie der Innsbrucker „Brixia“ auf, zelebrierte „Gedenkmessen“ für die „ehemaligen Südtiroler Freiheitskämpfer“ oder veranstaltete Redewettbewerbe zum Thema „Die Rückgewinnung der deutschen Ostgebiete“. Mit dem satzungsgemäßen Bekenntnis zur demokratischen Grundordnung Österreichs ist es beim ÖTB also nicht weit her. In den aktuellen Leitsätzen steht denn auch das „Bekenntnis zum angestammten Volkstum“ ganz oben.

Unpolitische Jugendliche würden durch „permanente Beeinflussung“ in den Dunstkreis von Deutschnationalismus und Rechtsextremismus kommen , so das Wiener Dokumentationsarchiv DÖW. 1981 stellte das Landgericht Wien fest, daß die „Bundesturnzeitungen“ eine „neofaschistische und österreichfeindliche Haltung“ einnähmen.

1993 schloß der Steierische Landesjugendbeirat die ÖTB-Jugend wegen „rechtsextremer Inhalte“ aus. 1995 forderte der Parteitag der SPÖ alle Parteifunktionäre und Mandatsträger auf, gegen jede Subventionierung des ÖTB aufzutreten. Schließlich hat die österreichische Bundessportorganisation dem ÖTB bislang standhaft die Aufnahme verweigert.

Während dem ÖTB in Österreich der Wind ins Gesicht weht, nahm der DTB anläßlich des Turntages in Ulm 1996 nach langer Pause den Kontakt wieder auf. Im Februar 1997 traf man sich dann in Linz, um die Teilnahme des ÖTB am Turnerfest vorzubereiten.

Genau das will Siegfried Benker, bündnisgrüner Fraktionschef im Münchner Stadtrat, verhindern. In einer Anfrage will er von Oberbürgermeister Christian Ude wissen, wie er es sicherstellen könne, daß der ÖTB das Turnfest nicht für rechtsradikale Zwecke mißbrauche. Wenn das nicht geht, so Benker, müsse der ÖTB eben wieder ausgeladen werden.

Eine Anfrage der Stadt München beim bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz brachte den sozialdemokratischen Oberbürgermeister Ude nicht weiter. Dort siedelte man den ÖTB nicht im rechtsradikalen Spektrum, sondern lediglich in einer „Grauzone“ an. Nach Gesprächen mit Ude hat das Organisationskomitee des Turnfests den ÖTB nun aufgefordert, gegenüber der Stadt München zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Momentan, so Staiger, gebe es „keine Veranlassung, den ÖTB in seiner Gesamtheit auszuladen“. Bernd Siegler

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