■ Wahrheit-Reporter vor Ort: Internationaler Tag der Milch in Münster: Die Abgründe der Kuh
Münster (taz) – Die Kuh an sich ist blöd und macht viel Dreck. Aber sie hat einen entscheidenden Vorteil: Sie gibt Milch. Oh ja, liebe Großstadtkinder, die Milch war nicht immer in der Tüte aus dem Supermarkt, vorher schwappte sie in der Kuh. Wie sie da reingekommen ist? Nun, das ist eine komplizierte Geschichte, mit der wollen wir uns hier nicht aufhalten. Hier geht's um das, was unten rauskommt.
Deutsche sind echt scharf auf Milchprodukte. Im vergangenen Jahr haben wir allein 2,5 Millionen Tonnen Joghurt weggeputzt. Ganz zu schweigen von Käse, Quark und Buttermilch. Dafür mußten eine Menge Kühe ganz schön lange schuften. Trotzdem hat die „Landesvereinigung der Milchwirtschaft Nordrhein-Westfalen e.V.“ noch einige Tricks auf Lager, um die Produktivität der versklavten Kreatur zu steigern. So fragte sie sich: „Wie lassen sich menschliche Kulturleistungen in Milch umsetzen?“ Durchaus berechtigt, aus ihrer Sicht.
Also Feldversuch im Kuhstall: Das Forschungsprojekt lief unter dem Namen „Milch und Musik – Sind Kühe Musikfans?“. Drei Höfe wurden ausgesucht, in Essen (85 Kühe), Düsseldorf (56) und Münster (39). Stilistisch sollte die Musik möglichst weit auseinander liegen. Man entschied sich für Wolfgang Amadeus Mozart („Kleine Nachtmusik“), Die Toten Hosen („Hier kommt Alex“), die Wildecker Herzbuben („Herzilein“) und Guildo Horn („Guildo hat euch lieb“).
Am letzten Dienstag wurden die Ergebnisse vorgestellt, anläßlich des „höchsten Feiertages der Milchwirtschaft“ nämlich, dem „Internationalen Tag der Milch“. Der wurde diesmal in Münster zelebriert, und zwar angemessen im Schloßpark: weißer Pavillon, daneben eine blitzblanke Kuh mit einem tollen Euter. Sie heißt „Elbfee“ und wird, eingerahmt von Strohballen und Milchkannen, von einer Harfenistin unterhalten. Davor eine Meute Pressefotografen, die so tun, als hätten sie noch nie eine lebende Kuh gesehen.
Dann der Höhepunkt. Zeremonienmeister Hanisch erklärt stolz: „Wir haben in die musikalischen Abgründe der Kuh geblickt, und wir haben ein Ergebnis.“ Na endlich! „Kühe hassen Volksmusik“, sagt der Mann (großes Aufatmen). „Aber sie stehen auch nicht auf Punk“ (vereinzelte Flüche). „Die Kuhcharts werden angeführt von Mozart, dicht gefolgt von Guildo Horn. In Düsseldorf lag der Meister gar vor Mozart.“ Mit dem Ergebnis kann man, muß man leben. Bauer Schulze-Diekhof erzählt, daß es nicht immer ganz einfach war mit dem Test. „Kommen sie mal morgens in den Kuhstall und hören immer nur ,Herzilein‘. Und es tut mir ja leid, Campino, aber bei den Toten Hosen standen nach einer Stunde nicht nur den Kühen die Haare zu Berge.“ Dann kommt noch raus, daß es auch bei den wiederkäuenden Milchfabriken solche und solche gibt. „Frauke“ ist zum Beispiel Musikfan, hört sie schöne Töne, gibt sie reichlich, „Moni“ dagegen geht das Gedudel „voll am Euter vorbei“. Damit ist der „Internationale Tag der Milch“ allerdings noch nicht vorbei. Jetzt kommen wir zur „Kuh in der Kunst“. Kühne Behauptungen werden aufgestellt, existentielle Fragen aufgeworfen: „Sie gehört zu unseren wichtigsten Partnern unter den Tieren: die Kuh. Doch wie sieht sie der Mensch? Sind Kühe glückliche Wesen in idyllischen Berglandschaften, wie uns die Werbung glauben machen will? Oder haben wir die Kuh längst zur reinen Milchmaschine degradiert? Sind Kühe konservative Hinterwäldler oder die wahren Popstars?“ Schwierig, schwierig. Die Lösung: ein Kunstwettbewerb! Wem etwas einfällt, der soll seine Kreation bis zum 15. Juli an die „Landesvereinigung der Milchwirtschaft“, Stichwort „Kuh im Bild“, An der Piwipp 68, 40468 Düsseldorf, schicken. Zugelassen sind alle Formen der künstlerischen Auseinandersetzung, nur keine Fotos. „Möge die beste Kuh, äh, das beste Kuhporträt gewinnen“, fordert Dr. Gail Kirkpatrick vom Kulturdezernat noch schnell – und damit geht er dann zu Ende, der höchste Feiertag der deutschen Milchmänner. Also: So blöd sind Kühe nun auch wieder nicht. Karl Wegmann
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